Ortsverband Wartenberg

Nahwärme

Die Wartenberger Energiewende

Samstag, 2. April 2022, Erdinger Anzeiger / Lokalteil

Die War­ten­ber­ger En­er­gie­wen­de

Nah­wär­me­kon­zept erst­mals öf­fent­lich vor­ge­stellt –
Bür­ger­inter­es­se ist be­reits groß

VON MAR­KUS SCHWARZ­KUG­LER

War­ten­berg – Schon län­ger war die Prä­sen­ta­ti­on mit Span­nung er­war­tet wor­den: Am Mitt­woch wurde das Quar­tiers­kon­zept für die Nah­wär­me­ver­sor­gung west­lich der Stro­gen nun erst­mals in einer öf­fent­li­chen Sit­zung des War­ten­ber­ger Markt­rats vor­ge­stellt. Zu einer Zeit, in der es auf dem En­er­gie­markt „dank“ Pu­tins Kriegs­trei­be­rei drun­ter und drü­ber geht, hätte der Zeit­punkt dafür nicht bes­ser pas­sen kön­nen. Das In­ter­es­se der War­ten­ber­ger Bür­ger ist schon jetzt groß. Die Ge­mein­de will einen wich­ti­gen Schritt Rich­tung Aut­ar­kie gehen.

Ge­schäfts­füh­rer Diet­mar Mün­nich und Pro­jekt­in­ge­nieu­rin Ni­co­le Pieg­sa von der DME Con­sult GmbH aus Ro­sen­heim stell­ten den ak­tu­el­len Stand des Kon­zepts vor, das sie im Auf­trag der Markt­ge­mein­de er­ar­bei­tet haben.

Das Quar­tier, des­sen Gren­zen flie­ßend sind, um nie­man­den im Um­feld per se aus­zu­schlie­ßen, wird von der Pe­sen­ler­ner Stra­ße, der Stro­gen, der Zu­stor­fer Stra­ße, der Bgm.-Stuhl­ber­ger-Stra­ße und dem Neu­bau­ge­biet Klein­feld West um­rahmt. Das Ziel des Pro­jekts ist klar for­mu­liert: „Ge­mein­sam in War­ten­berg die En­er­gie­wen­de um­set­zen“. Und dafür braucht es nicht zu­letzt die Bür­ger.

296 Haus­hal­te wur­den bei einer Bür­ger­be­fra­gung an­ge­schrie­ben, satte 40 Pro­zent haben ge­ant­wor­tet. „Nor­mal sind zehn Pro­zent Rück­lauf­quo­te“, er­klär­te Mün­nich zu­frie­den. Bis­lang habe man einen Be­darf von 5170 Me­ga­watt­stun­den pro Jahr er­mit­telt, hier wür­den aber noch Lie­gen­schaf­ten feh­len.

Zu den wich­ti­gen Lie­gen­schaf­ten zäh­len die En­er­gie­be­ra­ter unter an­de­rem einen nicht näher ge­nann­ten Land­wirt, „der mit an Bord wäre“, und einen Wohn­be­reich an der Her­zog-Fer­di­nand-Stra­ße mit vie­len klei­ne­ren Wohn­kom­ple­xen auf klei­nem Raum. Auch dort sei schon In­ter­es­se am Nah­wär­me­netz be­kun­det wor­den. Ein wei­te­rer Gro­ß­ab­neh­mer wäre das So­zio­the­ra­peu­ti­sche Zen­trum Haus War­ten­berg, mit dem ge­ra­de Ge­sprä­che lau­fen, und nicht zu­letzt die Marie-Pet­ten­beck-Schu­le im Zen­trum des Quar­tiers. Dort sind be­kannt­lich zwei neue Gas­kes­sel in­stal­liert wor­den, die ins Nah­wär­me­netz ein­ge­bun­den wer­den sol­len.

Das soll nicht hei­ßen, dass in dem Nah­wär­me­netz auf Gas ge­setzt wird. Es kommt laut Mün­nich und Pieg­sa nur bei einem Aus­fall re­gio­na­ler Er­zeu­ger zum Ein­satz. 83 Pro­zent der En­er­gie wer­den nach ak­tu­el­lem Stand brenn­stoff­frei er­zeugt, dies laufe zu 100 Pro­zent re­ge­ne­ra­tiv und re­gio­nal.

Für den Stand­ort der Heiz­zen­tra­le hat man ein Areal am nörd­li­chen Orts­rand im Blick. Bio­mas­se­kes­sel (Mün­nich: „Holz wird als Bau­stoff immer wert­vol­ler“), Puf­fer­spei­cher und An­la­gen­tech­nik sol­len hier ent­ste­hen. Eben­falls an den Orts­rand kom­men soll eine Agri-Pho­to­vol­ta­ik-An­la­ge. Dar­un­ter ver­steht man die gleich­zei­ti­ge Nut­zung von Flä­chen für die land­wirt­schaft­li­che Pflan­zen­pro­duk­ti­on und die PV-Strom­her­stel­lung. Dort wird der Strom für den Be­trieb der Wär­me­pum­pe ge­won­nen.

An eine sich auf 8500 Qua­drat­me­ter er­stre­cken­de Frei­flä­chen-So­lar­ther­mie wird an der Bgm.-Stuhl­ber­ger-Stra­ße ge­dacht. Das ist laut Mün­nich „der­zeit der op­ti­ma­le Stand­ort“, den er als ein „Ge­schenk“ be­zeich­ne­te. Denn die Flä­che dürfe weder für Ge­wer­be noch für Wohn­be­bau­ung ge­nutzt wer­den. 2000 Ki­lo­watt Leis­tungs­er­trag seien hier drin. Soll­te es mit dem Stand­ort warum auch immer nicht klap­pen, wäre die So­lar­ther­mie auf Dä­chern wie dem Schul­neu­bau eben­falls denk­bar.

Bei be­sag­ter Pumpe han­delt es sich um eine Hy­brid­wär­me­pum­pe, die im Som­mer die Um­ge­bungs­luft und im Win­ter Grund­was­ser nutzt. Ihre Lauf­zeit ist an­nä­hernd ganz­jäh­rig. Mün­nich ver­sprach, dass keine um­welt­schäd­li­chen Käl­te­mit­tel zum Ein­satz kom­men sol­len.

Den En­er­gie­be­darf für das vor­ge­stell­te „Quar­tier 1“ be­zif­fer­te Mün­nich mit 2700 Ki­lo­watt Leis­tung. Hinzu kom­men wei­te­re 1300 Ki­lo­watt Aus­bau­re­ser­ve. Zu den Di­men­sio­nen des Nah­wär­me­net­zes sagt er auf Nach­fra­ge un­se­rer Zei­tung: „Unter Ein­be­zie­hung der po­ten­zi­el­len Gro­ß­kun­den wer­den es in der der­zei­ti­gen Pro­jekt­pha­se si­cher an die 150 bis 200 Ge­bäu­de sein.“ Eine Ent­wick­lung in­ner­halb wei­te­rer Quar­tie­re sei für die Zu­kunft mög­lich und an­ge­dacht.

Der Zeit­plan für das erste Quar­tier steht be­reits: Bis Ende des Jah­res soll das Er­zeu­ger­kon­zept er­stellt sein, 2023 die Wär­me­netz­pla­nung be­gin­nen und das ganze Jahr in An­spruch neh­men (Pieg­sa: „Das ist sehr um­fang­reich.“). 2024 soll ge­baut und über die nächs­ten Quar­tie­re ge­spro­chen wer­den.

„Das Pro­jekt kann nur funk­tio­nie­ren, wenn wir die Men­schen mit­neh­men“, be­ton­te der DME-Ge­schäfts­füh­rer. Er lud die Bür­ger dazu ein, sich ein­zu­brin­gen und un­ter­ein­an­der über das Pro­jekt En­er­gie­wen­de aus­zu­tau­schen. Eine Web­sei­te mit allen mög­li­chen Infos soll dem­nächst on­line gehen.

„Ich stehe voll hin­ter dem Pro­jekt“, be­ton­te Bür­ger­meis­ter Chris­ti­an Pröbst (CSU). Sein zwei­ter Stell­ver­tre­ter Bernd Scheu­mai­er (CSU) er­kun­dig­te sich da­nach, ob die Ka­pa­zi­tä­ten im Falle eines künf­tig noch grö­ße­ren In­ter­es­ses als ak­tu­ell schon aus­rei­chen wür­den. „Je mehr desto bes­ser“, zeig­te sich Mün­nich op­ti­mis­tisch. Rich­tung Kanal habe die Ge­mein­de ver­gan­ge­nes Jahr zwei Hekt­ar ge­kauft, er­gänz­te Pröbst, Die Ge­mein­de hat also noch Flä­chen in petto.

„Stand heute haben wir schon 60 Pro­zent Er­folg zu ver­mel­den – also von dem, was wir an Wärme ab­set­zen müss­ten. Das ist ex­trem gut“, sagte Mün­nich er­freut. Und Mar­kus Straß­ber­ger (CSU) fand das Pro­jekt „mega. Es ist super, dass wir über 80 Pro­zent Son­nen­wär­me ma­chen kön­nen. Für mich ist das der per­fek­te Weg.“

Eine in­ter­es­san­te Idee, deren Um­set­zung noch auf Um­setz­bar­keit ge­prüft wer­den muss, brach­te Edu­ard Ertl (Neue Mitte) ins Spiel: Die So­lar­mo­du­le könn­ten auf­ge­stän­dert und so auch in Über­schwem­mungs­ge­bie­ten in­stal­liert wer­den, die man nicht an­der­wei­tig nut­zen kann. „Der Markt hätte er­heb­li­che Flä­chen, die mal be­baut wer­den soll­ten“, so Ertl.