Ortsverband Wartenberg

Wie ernst ist die Lage?

Auf Arzt­su­che in Wartenberg

Rathausdrache in Wartenberg

Freitag, 26. November 2021, Erdinger Anzeiger / Lokalteil VON MAR­KUS SCHWARZ­KUG­LER

Auf Arzt­su­che Wie ernst ist die Lage?

Markt­rat War­ten­berg dis­ku­tiert über MVZ, Ärz­te­haus, In­ves­tor & Co.

Lange war sie mit Span­nung er­war­tet wor­den, nun wurde sie auch öf­fent­lich im Ge­mein­de­rat vor­ge­stellt: die Ana­ly­se der am­bu­lan­ten me­di­zi­ni­schen Ver­sor­gungs­si­tua­ti­on in War­ten­berg. Wäh­rend es ei­ner­seits viel Lob für die Prä­sen­ta­ti­on der damit be­auf­trag­ten IWG Sales gab, zeig­ten sich ei­ni­ge Mark­t­rä­te aber auch ent­täuscht, weil sie sich kon­kre­te­re Hand­lungs­emp­feh­lun­gen für die Artz­ak­qui­se er­war­tet hat­ten. Heiß dis­ku­tier­te das Gre­mi­um auch die Frage, ob denn nicht ein Me­di­zi­ni­sches Ver­sor­gungs­zen­trum (MVZ) sinn­voll wäre. Nach In­for­ma­tio­nen un­se­rer Zei­tung ist es in den ver­gan­ge­nen Som­mer­fe­ri­en be­reits vor­ge­kom­men, dass vor Ort kurz­fris­tig kein prak­ti­zie­ren­der Haus­arzt in War­ten­berg mehr greif­bar war.

Wie die Lage ak­tu­ell aus­sieht, das hat die IWG Sales un­ter­sucht, zum einen mit ob­jek­ti­ver Da­ten­er­fas­sung, zum an­de­ren über Ge­sprä­che mit den Ak­teu­ren vor Ort. Fast alle und damit über­durch­schnitt­lich viele Me­di­zi­ner hät­ten mit­ge­macht, so Se­bas­ti­an Kie­rer von der IWG Sales, der via Mi­cro­soft Teams auf der Lein­wand in der Stro­gen­hal­le zu­ge­schal­tet war. Auch in der Um­ge­bung habe man sich um­ge­hört, etwa im Kli­ni­kum Er­ding. Ins­be­son­de­re die haus­ärzt­li­che Ver­sor­gung muss zu­kunfts­fä­hig ab­ge­si­chert wer­den, so Kie­rer, der die Rea­li­sie­rung eines mo­der­nen Ärzte- und Ge­sund­heits­zen­trums vor­schlug, das zum Stand­ort­fak­tor der Markt­ge­mein­de werde und junge Ärzte zur Nie­der­las­sung be­we­ge. Ins­be­son­de­re die Über­nah­me haus­ärzt­li­cher Pra­xen und ihre Fort­füh­rung solle da­durch er­leich­tert wer­den. Neben der haus­ärzt­li­chen Ver­sor­gung seien es die Fach­grup­pen Gy­nä­ko­lo­gie, Kin­der­heil­kun­de und Or­tho­pä­die, die nach Aus­sa­gen der be­frag­ten Me­di­zi­ner Zu­wachs ge­brau­chen könn­ten.

„Was Haus­ärz­te und Kin­der­ärz­te be­trifft, könn­ten sich Fach­ärz­te pro­blem­los in War­ten­berg nie­der­las­sen“, sagte Kie­rer. Theo­re­tisch gebe es in der Be­darfs­pla­nung ak­tu­ell sogar 4,5 freie Haus­arzt­sit­ze und einen Kin­der­arzt­sitz. Haus-, Kin­der- und Frau­en­arzt – das seien die wich­tigs­ten Fach­grup­pe für junge Fa­mi­li­en, so der Re­fe­rent. Ak­tu­ell gebe es in War­ten­berg zwei Haus­ärz­te, zwei Fach­ärz­te und zwei Zahn­ärz­te. Kie­rer rät der Ge­mein­de, sehr bald in enger Ab­stim­mung mit den War­ten­ber­ger Ärz­ten in die Öf­fent­lich­keit zu gehen und die Arz­tak­qui­se zu star­ten. Junge Ärzte bräuch­ten zum einen mo­der­ne Räume, aber auch Pra­xen, in denen sie auf Wunsch im An­ge­stell­ten­ver­hält­nis tätig wer­den könn­ten. Daher sei es ent­schei­dend für den Er­folg, dass das Vor­ha­ben von der gro­ßen Mehr­heit der nie­der­ge­las­se­nen Ärzte mit­ge­tra­gen werde. Wie Bür­ger­meis­ter Chris­ti­an Pröbst (CSU) aus der Nicht­öf­fent­lich­keit schon mal durch­bli­cken ließ, lau­fen be­reits er­folg­ver­spre­chen­de Ge­sprä­che mit Ärz­ten. Kie­rer mach­te deut­lich, dass ein Gro­ß­teil der Ärzte und Psy­cho­the­ra­peu­ten vor Ort über 55 sei, einer wolle in den kom­men­den fünf Jah­ren auf­hö­ren, ein wei­te­rer wolle sich auf ab­seh­ba­re Zeit ver­än­dern. In einem hö­he­ren Alter könne es zudem schnel­ler zu un­er­war­te­ten ge­sund­heit­li­chen Rück­schlä­gen kom­men, die einen dras­ti­schen Ein­bruch bei der Ver­sor­gung zur Folge haben könn­ten, warn­te Kie­rer. Der Tod von All­ge­mein­me­di­zi­ner Theo­dor Pösl ist vie­len War­ten­ber­gern noch in bes­ter Er­in­ne­rung.

Zur Prä­sen­ta­ti­on selbst hat­ten die Räte keine Fra­gen, doch nach­dem Kie­rer off­line ge­gan­gen war, ent­brann­te doch noch eine in­ten­si­ve De­bat­te. Mi­cha­el Gru­ber (SPD) zeig­te sich ähn­lich ent­täuscht wie von einem Gut­ach­ten, das schon vor vier Jah­ren er­stellt wor­den war – in der Folge war das Thema je­doch ein­ge­schla­fen, wie auch Pröbst be­män­gel­te. „Für mich sind das hin­aus­ge­schmis­se­ne 15 000 Euro ge­we­sen“, kri­ti­sier­te Gru­ber und for­der­te ein MVZ für den nörd­li­chen Land­kreis, ohne das es lang­fris­tig nicht gehe – von ihm aus gerne auch in Berg­lern oder Lan­gen­prei­sing. Haupt­sa­che, die Bür­ger müss­ten nicht weit fah­ren. Dazu ent­geg­ne­te Pröbst, dass ihm der Stand­ort War­ten­berg schon wich­tig wäre. Je­den­falls brau­che es Ge­sprä­che mit Land­rat Mar­tin Bay­er­stor­fer, mein­te Gru­ber. Diese will Pröbst auch füh­ren. Egal, was es letzt­lich werde – ob MVZ, In­ves­to­ren­pro­jekt oder Ärz­te­haus – „wir müs­sen den Pro­zess auf­recht­erhal­ten“, be­ton­te er. Do­mi­nik Rutz (Grüne) kri­ti­sier­te: „Ich bin tat­säch­lich sehr ent­täuscht von der IWG Sales, habe mir we­sent­lich kon­kre­te­re Hand­lungs­emp­feh­lun­gen vor­ge­stellt.“ Er woll­te nicht ver­ste­hen, warum das Un­ter­neh­men nicht etwa mit einem Fach­arzt aus Moos­burg ge­spro­chen hatte. „Das war lei­der um­sonst.“ Vor allem die CSU woll­te die Kri­tik so nicht ste­hen las­sen. „Das Geld ist nicht kom­plett hin­aus­ge­schmis­sen“, sagte Nina Hie­ro­ny­mus, man habe gute Daten be­kom­men. Und Mar­kus Straß­ber­ger war sich si­cher: „Wenn wir die Ana­ly­se nicht in Auf­trag ge­ge­ben hät­ten, dann wäre wie­der nichts pas­siert.“ Die Markt­ge­mein­de zahle so viel Kreis­um­la­ge und habe eine stei­gen­de Be­völ­ke­rungs­zahl – das müsse vom Land­kreis un­ter­stützt wer­den, mein­te Gru­ber. „Dass sich 26 Land­kreis-Ge­mein­de un­ter­ein­an­der die Ärzte ab­ja­gen, das kann’s auch nicht sein.“ Mar­ti­na Sche­yhing (Grüne) mein­te, dass die Be­völ­ke­rung nicht in Panik ver­fal­len solle. „Mo­men­tan sind wir nicht schlecht auf­ge­stellt. Pra­xis­per­so­nal zu fin­den ist das große Pro­blem un­se­rer Zeit. Das sind nicht immer nur die Ärzte.“ Dem wi­der­sprach Franz Gerst­ner (CSU) ve­he­ment. Der ver­stor­be­ne Arzt ist für ihn ein gutes Kon­tra-Bei­spiel. Auch Edu­ard Ertl (Neue Mitte) wi­der­sprach Sche­yhing. Zur IWG Sales könne man ste­hen, wie man wolle. „Aber wir müs­sen kurz­fris­tig schau­en, wie wir un­se­re Ver­sor­gung si­chern.“ Zumal man ja auch neue Bau­ge­bie­te aus­wei­se. Mit Grund­stü­cken und Ge­bäu­den müsse der Markt gute Vor­aus­set­zun­gen schaf­fen, so Ertl. „Und wir haben ein Um­feld, in dem ein wei­te­rer Arzt gut leben könn­te“, mein­te er hin­sicht­lich der Kon­kur­renz­si­tua­ti­on der Ärzte un­ter­ein­an­der.

Ge­sam­mel­te Aus­sa­gen be­frag­ter Me­di­zi­ner:

  •   „Die haus­ärzt­li­che Ver­sor­gung ist an der Ka­pa­zi­täts­gren­ze.“
  •   „Die Markt­ge­mein­de wächst schnell. Es ist schwie­rig für neue Bür­ger, einen Haus­arzt zu fin­den.“
  •   „Die Ver­sor­gung durch die Apo­the­ken ist super.“
  •   „Es ist schwie­rig, einen Nach­fol­ger zu fin­den.“