Ortsverband Übersee

CSU Ortsverband & Hans-Seidl-Stiftung e.V.

Veranstaltung mit der Hans-Seidl-Stiftung e.V.

Die Zukunft der EU eröffnet große Chancen, ist aber auch gefährdet

„Die EU bietet riesige Vorteile - nicht nur für Deutschlands Wohlstand als Exportnation durch den gemeinsamen Binnenmarkt. Auch jeder Einzelne profitiert vielfach im Alltag von der Union. Aber leider ist das in der Öffentlichkeit viel zu wenig bekannt“. Mit dieser durch eindrucksvolle Beispiele belegten Ansage überraschte der Journalist und seit vielen Jahren auch durch persönliche Erfahrungen in Brüssel und Straßburg ausgewiesene Europaexperte Michael G. Möhnle das interessierte Publikum im Wirtshaus Feldwies in Übersee.

Eingeladen hatte die Hanns-Seidel-Stiftung gemeinsam mit der CSU Übersee unter dem Motto „Europa - Weltmacht der Demokratie.“ Der Abend sollte auch auf die kommenden Wahlen zum Europäischen Parlament vom 6. bis 9. Juni 2024 einstimmen. Bei dieser wird erstmals das aktive Wahlalter auf 16 Jahre gesenkt, weshalb auch die sehr junge Bevölkerung von den Werten und Vorteilen des geeinten Europas überzeugt werden muss.

Entstehung:

Es war der Verdienst weitblickender Staatsmänner, wie Adenauer, Schumann und de Gasperi, dass sich nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs ab 1950 die Einsicht durchsetzte, dass nur eine enge Zusammenarbeit der Völker Europas künftig den Frieden nachhaltig sichern kann. Auf dem Wertefundament der Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und Wahrung der Menschenrechte entstanden die Grundlagen der heutigen Union.  Endgültig gestaltet wurden sie 2009 im Vertrag von Lissabon. Die EU erhielt hierdurch eine eigene Rechtspersönlichkeit. Sie blieb aber – wie Möhnle betonte – ein supranationaler Staatenverbund. Das ist mehr als ein lockerer Staatenbund, aber weniger als ein alles an sich ziehender Bundesstaat. Die Souveränität der Mitgliedsstaaten und damit ihrer Bürger als Träger der demokratischen Legitimation der EU blieb unangetastet.

Dennoch kann jeder Mitgliedstaat in einem ausdrücklich normierten Verfahren auf eigenen Wunsch austreten.  Hiervon hatte Großbritannien nach einer Volksbefragung in 2016 – die von EU-Gegnern durch massenhaft über soziale Medien gezielt verbreitete Falschbehauptungen manipuliert wurde – durch den anschließenden Brexit Gebrauch gemacht (was wohl eine Mehrheit der Briten angesichts der offenkundigen negativen Folgen inzwischen heftig bedauert).

In Deutschland ist die Verwirklichung eines vereinten Europas durch den 1992 eingefügten Artikel 23 des Grundgesetzes sogar zum Staatsziel erklärt worden. Ein „Dexit“ wäre somit nur nach einer Verfassungsänderung möglich. Dies scheint einigen Vertretern diverser politischen Gruppierungen gar nicht bewusst zu sein. 

Errungenschaften:

  • Die EU ist ein globaler Wirtschaftsfaktor und damit eine Jobmaschine für 448 Mio. Menschen in 27 Ländern. Ihr Anteil am weltweiten Angebot von Waren und Dienstleistungen beträgt 17,7 %.
  • Der gemeinsame Binnenmarkt hat seit 1993 durch europäische Standards den Handel erleichtert, zu ökonomischer Blüte geführt und auch die gemeinsame Währung für die meisten der EU-Mitgliedsländer erleichtert.
  • Im Bereich Bildung wurde durch EU-Initiativen die Vergleichbarkeit der Ausbildungsabschlüsse in den Mitgliedsstaaten und damit die grenzüberschreitende Arbeitsaufnahme extrem erleichtert. Auf dem Europäischen Jobportal ERES können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ebenso wie Unternehmen bei der Stellensuche zusammenkommen - was in Deutschland leider kaum bekannt ist.

Bis 2025 soll ein Europäischer Bildungsraum geschaffen werden, in dem sich Lernende und Lehrende frei bewegen und vernetzen können.  Schon jetzt nehmen 60 Universitäten und über 500 andere Hochschulen daran teil. Mit einem digitalen europäischen Studierendenausweis, der alle bisher erworbenen Qualifikationen erfasst, soll die studentische Mobilität innerhalb Europas erleichtert werden.

  • Weltspitze ist Europa beim Navigationssystem Galileo, das längst dem US-basierten GPS den Rang abgelaufen hat und auf rund 4,8 Mrd. Smartphones genutzt werden kann.
  • Für das „Internet aus dem All“ sollen bis 2028 mit 6 Mrd. Euro über 100 Satelliten neu installiert werden.
  • Die unlängst neu geschaffenen EU-Regelungen gegen die Missbrauchsgefahren der künstlichen Intelligenz kommen der gesamten Bevölkerung zugute, ebenso wie im Übrigen die europäische Datenschutzgesetzgebung. Im Gegensatz hierzu wurden in China 850 Millionen Kameras zur Überwachung von 1.5 Milliarden Menschen installiert. Diese Art eines digitalen Totalitarismus bedroht die Demokratie.
  • Der digitale Euro soll nach seiner Einführung Zahlungsvorgänge erleichtern und vor allem kriminelle Geldwäsche erschweren.
  • Mit dem „Green Deal“ strebt die Kommission an bis 2050 in der EU die Netto-Emissionen von Treibhausgasen auf null zu reduzieren und somit als erster „Kontinent“ klimaneutral zu werden.

All diese Vorteile erscheinen heute als „gegeben“, ohne dass man sich ihres Ursprungs bewusst ist.

Gefahrenpotential

Mit Sorge sieht der Referent das Anwachsen rechtsradikal-populistischer Parteien in Europa. Wären diese bei den kommenden Wahlen erfolgreich und würden sich im Europäischen Parlament zusammenschließen, könnte dies weitere Fortschritte im Einigungsprozess erschweren. Auch die notwendige materielle Unterstützung der Ukraine in ihrem Abwehrkampf gegen den russischen Angriffskrieg wäre dann gefährdet.

Schon heute zeige sich die Blockademacht eines Putin-nahen Außenseiters wie Ministerpräsident Orban im Europäischen Rat. Das noch geltende Einstimmigkeitsprinzip bei wichtigen Entscheidungen gebe Autokraten wie ihm erhebliches Erpressungspotenzial. Dass die Kommission im Dezember trotz viel Kritik eingefrorene Gelder an Ungarn freigegeben hatte, um sich in einem „schmutzigen Deal“ seine Zustimmung zu einem Ukraine-Hilfspaket zu erkaufen, wertete Möhnle sehr kritisch. Dass ausgerechnet Ungarn ab 1.7.2024 den Ratsvorsitz innehaben werde, lasse Ungutes erahnen.

Die früher so enge Zusammenarbeit zwischen Frankreich und Deutschland als Motor der europäischen Einigung, funktioniere derzeit schlecht. Präsident Macron sei nachhaltig verstimmt über Bundeskanzler Scholz, weil dieser ihn im November 2022 mit einem Staatsbesuch in China im Alleingang „hereingelegt“ hatte.

In einer lebhaften Diskussion wurden diese und andere Fragen vertieft.  Die unbestreitbare Stellung Europas als Weltmacht der Demokratie sei – so warnte der Referent – ernsthaft bedroht, wenn immer mehr Staaten auf fast allen Kontinenten in autoritäre und dann totalitäre Systeme abkippten. Auch die Perspektiven einer womöglich erneuten US-Präsidentschaft von Donald Trump seien für Europa nicht sehr ermutigend.

Gleichwohl stellte Möhnle fest, dass die EU schon einige schwere Krisen überstanden habe und über 70 Jahre hinweg die Freiheit auf dem Kontinent bewahrt habe. Auch überzeugte Bayern sollten angesichts der vielen Vorzüge der Union anerkennen und bekennen:

„Wir sind Europäer!“

BK für Vorstand CSU-Ortsverband Übersee