Artikel vom 25.01.2018
Bundesbankvizepräsident a.D. Prof. Zeitler
Eigenverantwortung der Staaten sichern!
Prien - In einer gemeinsamen Veranstaltung der Priener CSU und des Wirtschaftsbeirats Bayern (Bezirk Rosenheim) sprach der Vizepräsident der Bundesbank a.D. Prof. Dr. Franz-Christoph Zeitler über die Weiterentwicklung der Europäischen Währungsunion (EWU) und der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB).
Fast 100 Personen aus dem ganzen Landkreis, begrüßt von Andreas März vom Wirtschaftsbeirat, waren in den Saal des Restaurants „Hacienda“ gekommen, um den Ausführungen des renommierten Finanzexperten zu lauschen.
In seinem einstündigen Vortrag zeichnete Prof. Zeitler zunächst ein positives Bild der wirtschaftlichen Lage in Deutschland und Europa. Die dennoch weiter geführte ultra-expansive Geldpolitik der EZB solle den Staaten Zeit verschaffen, um notwendige Reformen einzuleiten und ihre Haushalte zu sanieren. Das Problem sei aber, dass viele Staaten nicht handeln.
Eine Währungsunion ohne politische Union könne nur funktionieren, wenn sie klare Regeln habe, denen von vertrauenswürdigen Institutionen Nachdruck verliehen wird. Als wichtigsten Grundsatz hierbei nannte Prof. Zeitler die finanzielle Eigenverantwortung der einzelnen Staaten: Schulden eines Staates dürften weder auf andere Staaten verlagert noch von der Notenbank finanziert werden.
Die derzeit diskutierten Vorschläge zur Weiterentwicklung der EWU müssten an diesem Grundsatz gemessen werden. Leider zielten jedoch viele Vorschläge auf eine stärkere Trennung von „Handlung“ und „Haftung“ ab. Als Beispiele nannte Prof. Zeitler Eurobonds und die Zentralisierung der Einlagensicherung. Es gebe aber auch gute Vorschläge. Er hoffe daher, dass die am Ende zu findenden Kompromisse die Eigenverantwortung stärken.
In der anschließenden, von CSU Ortsvorsitzenden Anner moderierten, Podiumsdiskussion mit Wirtschaftsfachleuten aus der Region wurden viele dieser Aspekte noch einmal konkreter beleuchtet. Man war sich einig, dass die Niedrigzinspolitik noch einige Zeit andauern werde. Daher seien Sachwerte wie Aktien und Immobilien weiter attraktiv. Kunden sollten sich aber bei den regionalen Banken beraten lassen, in Aktien nur langfristig nicht benötigtes Kapital anlegen und bei Immobilien auf einen soliden Eigenkapital-Sockel (mindestens 20%) achten. Vor der Spekulation mit Kryptowährungen wie z.B. Bitcoin wurde einhellig gewarnt.
Mehrere Diskussionsteilnehmer zeigten sich – trotz des positiven Beispiels in Frankreich – pessimistisch, was die Fähigkeit der Staaten zu Reformen betrifft. Hervorzuheben sei dabei, dass es bei den notwendigen Reformen nicht in erster Linie um den Abbau von Sozialleistungen gehe. Viel wichtiger sei es, Wachstums-hemmnisse wie Korruption abzubauen und die Effizienz des öffentlichen Sektors in allen Bereichen zu steigern.
In ihrem Ausblick waren sich die Fachleute einig, dass in den nächsten Jahren noch keine größere Krise zu erwarten sei. Wenn man aber längerfristig den Anstieg gesellschaftlicher Spannungen und eine Gefährdung des Euro vermeiden wolle, dürfe es ein „Weiter so“ der europäischen Politiker nicht geben.