Artikel vom 14.11.2021
Bürgermeister Klaus Falk zum Volkstrauertag
Auftrag zur beständigen Arbeit für den Frieden
Nun haben wir ihn bereits zum 2. Mal, den etwas anderen Volkstrauertag: Kein Zug mit Chören, Feuerwehren, Kirchenvorstand, Gemeinderat vom Pfarrhaus in die Kirche, kein gemeinsamer Kirchgang, keine Mannschaften der Feuerwehren.
Aber immerhin, trotz „Roter Corona-Ampel“ kann unsere Gedenkfeier wiederum stattfinden, auch mit musikalischer Ausgestaltung, und dazu begrüße ich Sie sehr herzlich.
Das Coronavirus hat unserer Gesellschaft und jedem Einzelnen umfangreiche, ja sogar elementare Beeinträchtigungen auferlegt.
Wir trauern mit den Angehörigen der bisher über 90.000 Toten allein in unserem Land; viele von Ihnen starben in hochsterilen Kammern einen einsamen, unwürdigen Tod.
Bei allem Streit über Ursache und Wirkung, Richtig oder Falsch, Zählweisen usw., ist eines Fakt:
Die Pandemie stellt einen historisch bedeutsamen Einschnitt in unserer aller Lebensweise dar und bringt uns zum Nachdenken darüber, ob wir es uns in Teilen nicht zu sorglos und zu bequem, um nicht zu sagen: zu Ich-bezogen eingerichtet haben.
An bedeutenden, historischen Gedenk-Anlässen mangelt es auch im zweiten Jahr der Pandemie nicht. Dies insbesondere, wenn man auf die Ereignisse des Jahres 1941 zurückblickt, die sich heuer zum 80.ten Mal jähren:
Der Zweite Weltkrieg wurde durch die deutsche Kriegserklärung an die USA und den Überfall auf die Sowjetunion endgültig zu einem weltweiten Konflikt. Und: Im Osten Europas drohte der Tod – mehr als an allen anderen Fronten: Allein auf deutscher Seite fielen hier in den ersten sechs Monaten über 300.000 Soldaten und an jedem weiteren Tag des Krieges waren es dort durchschnittlich 2.000 weitere Gefallene. Der Rausch vorheriger Siege und der Glaube an einen weiteren „Blitzkrieg“, mit dem die deutschen Truppen am 22. Juni 1941 im Zuge des „Unternehmens Barbarossa“ in der Sowjetunion einmarschiert waren, war im Dezember 1941 kurz vor Moskau im unbarmherzigen russischen Winter bei -40° buchstäblich erstarrt.
Bei all dem darf nie vergessen werden, dass auch auf der anderen Seite der Front Väter, Söhne, Brüder und Ehemänner standen, die bei der Verteidigung ihres Landes Schreckliches durchleiden mussten. Schätzungen zufolge verloren rund 27 Millionen Sowjetbürger ihr Leben, darunter 15 Millionen Zivilisten.
Sie alle wurden Opfer einer rassenideologisch motivierten Kriegsführung und Besatzungspolitik.
Quelle:Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge
Die Toten, die Unbekannten und Namenlosen, genauso wie die an zahllosen Mahnmalen in Stein gemeißelten Namentlichen, mahnen uns: Ihrer wollen wir heute am Volkstrauertag besonders gedenken.
Totengedenken, offizieller Text:
Wir gedenken heute der Opfer von Krieg und Gewalt:
der Soldaten, die in den beiden Weltkriegen gefallen, ihren Verwundungen erlegen, in Gefangenschaft gestorben oder seither vermisst sind,
der Männer, Frauen und Kinder aller Völker, die durch Kriegshandlungen ihr Leben lassen mussten.
Wir gedenken derer,
die im Widerstand, um ihrer Überzeugung oder ihres Glaubens willen Opfer der Gewaltherrschaft wurden, und derer, die verfolgt und getötet wurden, weil sie einem anderen Volk angehörten, einer anderen Rasse zugerechnet wurden oder deren Leben wegen einer Krankheit oder Behinderung als lebensunwert bezeichnet wurde.
Wir gedenken
der Männer, Frauen und Kinder, die in der Folge des Krieges auf der Flucht oder bei der Vertreibung aus der Heimat und im Zuge der Teilung Deutschlands und Europa, ihr Leben verloren.
Wir gedenken
Der Bundeswehrsoldaten und anderer Einsatzkräfte, die in Ausübung ihres Dienstes ihr Leben ließen.
Wir trauern
Um die Opfer der Kriege und Bürgerkriege unserer Tage, um die Opfer von Terrorismus und politischer Verfolgung, um die Opfer sinnloser Gewalt, die bei uns Schutz suchten.
Wir trauern
mit den Müttern und mit allen, die Leid tragen, um die Toten.
Eingangs hatte ich gesagt: Die Pandemie stellt einen historisch bedeutsamen Einschnitt in unserer aller Lebensweise dar und bringt uns zum Nachdenken darüber, ob unsere Nation es sich in Teilen nicht zu sorglos eingerichtet hat. Diesen Gedanken möchte ich noch etwas näher ausführen:
Wir Deutsche sind ja strebsam und emsig: Die alltäglichen Besorgungen für Nahrung, Kleidung, Kind und Kegel und darüber hinaus für Haus, Hof, Garten und Auto usw. füllen uns oft „sinnstiftend“ aus.
Die Rahmenbedingungen dafür, nämlich das Leben in einem Staat mit freiheitlich-demokratischer Grundordnung, mit Arbeitsplätzen und Einkommen, doch meist intakter Infrastruktur, mit sozialen Sicherungssystemen usw. sind ja gesetzt, bzw. beschaffen unsere Regierung(en) und die zugehörigen Verwaltungen, ist ja schließlich deren Job, wofür zahlen wir denn sonst unsere Steuern?
Wenn wir jedoch unseren Blick über unsere Landesgrenzen hinaus schweifen lassen, können wir sofort erkennen, dass Freiheit nicht selbstverständlich ist: In Russland, Belarus, und der Türkei um nur einige zu nennen. Auch mit dem Frieden ist es nicht weit her: Syrien, Jemen, aber auch Israel und die Palästinenser-Gebiete, sind hierfür, wenn auch nur wenige, Beispiele. Immer sind es Menschen aus der Bevölkerung, zahllose Einzelschicksale die von der Knute weniger Despoten zu politischen Zwecken missbraucht, vertrieben und häufig auch aufgerieben werden.
Demokratische Regierungen? Meistens Fehlanzeige! In einer solchen Aufzählung darf auch Afghanistan nicht fehlen: 20 Jahre internationaler Einsatz gingen heuer dort zu Ende, aber nicht mit dem Verlassen eines nun demokratisch regierten Landes, nein, sondern mit einem überstürzt und fluchtartigen Davonlaufen, im Land nicht nur ein humanitäres Chaos hinterlassend.
Frieden, auch bei uns, meine Damen und Herren, ist wie wir sehen, auch heute nicht selbstverständlich. Die Überwindung von nationalistischen und rassistischen Strömungen, von Hass und Intoleranz, von Unterdrückung und Verfolgung braucht Mut und Engagement.
Und zwar von allen Bürgerinnen und Bürgern, denen unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung am Herzen liegt.
Derzeit erleben wir, wenn auch regional durchaus unterschiedlich, wie besonders der rechte politische Rand weiter erstarkt und der Ton rüder und fordernder wird. Aber auch linke Kräfte organisieren und formieren sich weiter, proklamieren die Lösung gesellschaftlicher Aufgaben in ihrem Sinn, agieren nicht immer nur gewaltfrei und besetzen fremdes Eigentum.
Mit den folgenden Worten von Walter Schneider-Schwarzbauer möchte ich es auf den Punkt bringen:
„Frieden ist kein Schicksal, sondern unser Auftrag, so wie der Krieg unser Versagen ist“
Wir dürfen, wenn wir unseren Beitrag zu einer stabilen und ausgewogenen Demokratie in Frieden und Freiheit leisten wollen, nicht schweigen.
Lassen Sie uns mehr auf die Grundlagen unserer langen Zeit des friedlichen Zusammenlebens und das Wesentliche besinnen und aus dieser Erkenntnis heraus diesen Auftrag zur beständigen Arbeit für den Frieden annehmen, damit wir uns nicht, wenn es zu spät ist, vorwerfen müssen, versagt zu haben.