Ortsverband Oberwerrn

AKU Bezirk Unterfranken

Leerstände vermeiden - Gemeindeleben stärken

Online-Veranstaltung „Leerstände vermeiden – Gemeindeleben stärken“ | 01.02.2021 / 18:00 – 20:45 Uhr

 

Volles Haus bei Online-Veranstaltung Leerstände vermeiden – Gemeindeleben stärken“.

Innenentwicklung stärkt die Attraktivität von Städten und Gemeinden – Außenentwicklung führt zu Leerstand in den Ortskernen und zur Abwanderung an die Ränder. Diese Erkenntnis teilte Wolfgang Borst, 1. Bürgermeister der Stadt Hofheim i. Ufr., in seinem Praxisbericht mit den über 120 Zuhörer*innen aus Unterfranken.

Nach mehrmonatiger Vorbereitung des CSU-Arbeitskreises Umweltsicherung und Landesentwicklung (AKU) moderierten Anfang Februar die AKU-Vorsitzende Roswitha Peters aus Marktheidenfeld und ihr Stellvertreter Dr. Stefan Poths aus Karlstein am Main die Online-Veranstaltung „Leerstände vermeiden – Gemeindeleben stärken“ vorwiegend für Kommunalpolitiker in Unterfranken. Viele Gemeinden kämpfen innerorts mit zunehmendem Leerstand alter Liegenschaften und dem Wegfall von Betrieben. Im ländlichen Raum ist die Bevölkerungszahl häufig rückläufig und das Durchschnittsalter der Einwohner steigt. Andererseits gestaltet sich die Erschließung von Bauland an den Rändern der Kommunen als teuer und schwierig. Parallel befeuert die Ortsrandentwicklung eine zunehmende Verödung der Ortskerne. Gibt es Möglichkeiten, dem entgegen zu wirken? Wie bekommen wir wieder vermehrt den Zuzug auch junger Familien und neuer Betriebe in die Ortskerne? Mit der Veranstaltung „Gemeindeleben stärken – Leerstände vermeiden“ möchten wir Ihnen Beispiele gelungener Ortsentwicklungen vorstellen und mit Ihnen über die vorhandenen Möglichkeiten und neuen Wege bei der Ausrichtung staatlicher Förder- und Lenkungsmechanismen diskutieren.

In der fast dreistündigen Veranstaltung stellten Vertreter aus Bund, Land, Kommune und Wissenschaft ihre Ansätze und Beispiele vor. Die große Resonanz der Zuhörer*innen und die bis zum Schluss rege Teilnahme an der Diskussionsrunde bewiesen: damit trifft der AKUden Nerv der Zeit.

Bürgermeister Borst berichtete, dass er viele Ziele einer modernen Kommune mit einem striktem Flächenmanagement durchsetzen konnte. Zahlreiche Neuansiedlungen im Bestand, 16 Firmengründungen, über 300 neue Arbeitsplätze und vieles mehr, was die Gemeinschaft in den Ortsteilen der Hofheimer Allianzgemeinden (www.hofheimer-land.de) stärkt, wurde innerhalb eines Jahrzehnts geschaffen. Junge Familien realisierten ihre Wohnbauträume in den alten Ortskernen und konnten aufgrund der Unterstützung durch die Verwaltung ihre Bauvorhaben günstiger realisieren, als wenn sie außerhalb in Neubaugebieten gebaut hätten. Die positive Bilanz der Hofheimer Allianz war auch für die Gemeindekämmerer spürbar: letztlich konnte auf die Erschließung von über 42 ha Ackerland, das in den 1980er Jahren als Neubaugebiet ausgewiesen worden war, verzichtet werden. Bei seiner Wiederwahl profitierte auch Bürgermeister Borst mit weit über 90 % Zustimmung aus der Bevölkerung von seinen erfolgreichen Maßnahmen und Projekten zur Stärkung des Gemeindelebens.

Professorin Dr. Martina Klärle, Lehrstuhlinhaberin für Landmanagement an der Frankfurt University of Applied Sciences, Frankfurt am Main, bestätigte diesen Praxisbericht mit Forschungsergebnissen der Wissenschaft. In ihrem Beitrag zur Veranstaltung zeigte sie die Erfolgsfaktoren für zukunftsfähige Ortsentwicklungen auf. Diese Erfolgsfaktoren bedeuten „Innen vor Außen“ und werden getragen von ehrgeizigen Zielen, klaren Konzepten, Ausdauer bei den handelnden Personen und einem starken politischen Willen.

Frau Klärle stellte in ihrem Impulsreferat gut begründet klar: Jeder Supermarkt auf der grünen Wiese lässt den Einzelhandel in den Ortskernen zugrunde gehen. Warum zum Beispiel bauen die Gemeinden die Märkte dann nicht in die alten Ortskerne – dorthin, wo die Menschen wohnen – und werten dadurch die Ortszentren auf?

Umgekehrt siedeln sich in den Außenbereichen nur selten Kultureinrichtungen, Rathäuser, Postfilialen, Banken, Einzelhandelsgeschäfte und Gastronomie an. Das Zusammenbringen des Wohnens mit den wichtigen Angeboten für die Menschen, verbunden mit kurzen Wegen und hoher Vielfalt, sind die Ziele einer attraktiven Innenentwicklung. Leuchtturmprojekte wie das Wohnprojekt „Hof8“ in Weikersheim zeigen beispielhaft, wie es funktionieren kann (www.klaerle.de). Frau Klärle erinnerte daran, dass die Politik durch finanzielle Förderinstrumente und ein weniger kompliziertes Baurecht die zeitgemäße Entwicklung des Altbestands in den Ortszentren begleiten muss. Außerdem sollte der Politik klar sein: für solche Projekte braucht man viel Überzeugungskraft und einen langen Atem.

Diese Forderung griffen die beiden politischen Referenten der Online-Veranstaltung auf. Dr. Martin Huber, Mitglied des bayerischen Landtags und AKU-Landesvorsitzender, stellte die Förderinstrumente des Freistaats Bayern zur Leerstandsreduzierung in den Mittelpunkt seines Beitrags.

Dr. Anja Weisgerber, Mitglied des deutschen Bundestags und Klimaschutzbeauftragte der CDU/CSU-Fraktion im deutschen Bundestag, referierte zu den seitens des Bundes bereits beschlossenen oder geplanten Förder- und Lenkungsinstrumente zum Ressourcenschutz Boden.

Damit war die Grundlage für eine fast einstündige Diskussionsrunde geschaffen, die von den Kommentaren, Fragen und Beiträgen der Zuhörer*innen getragen wurde. Viele Mandatsträger*innen in Kommunen und Kreisen, darunter zahlreiche Bürgermeister zeigten sich beeindruckt von den Praxiserfolgen und den Forschungsergebnissen zum Themenkomplex „Flächenverbrauch – Leerstandsmanagement – Ortskernentwicklung“. In vielen Kommunen sei der Flächenbedarf für Neubaugebiete nur ein „gefühlter“ Bedarf. Die rein statistische Betrachtung der Bevölkerungsentwicklung bestätige nicht, dass Städte und Gemeinden einwohnerzahlenmäßig wachsen.

Viele Fragesteller interessierten sich im Verlauf der Diskussion für die Beschränkungen des Denkmalschutzes. Bürgermeister Borst und Professorin Klärle betonten beide, dass es bei aller Komplexität durch die Bündelung der verfügbaren Fördermittel sehr gute Lösungen für die Innenentwicklung auf Basis denkmalgeschützter Objekte gäbe.

Beim Thema „Baulandrücknahme“ wurde der Punkt „Entschädigung“ angesprochen. Die Rücknahme von Baugebieten, wie es die Hofheimer Allianz gemacht hat, führt laut Bürgermeister Borst dann zu keinen Schadensersatzansprüchen, wenn entsprechende städtebauliche Verträge vor der Baulandentwicklung mit den Alteigentümern abgeschlossen wurden.

Am Ende der fast dreistündigen Veranstaltung konnte festgehalten werden: politisch ist das Thema Flächenverbrauch hochumstritten und die zunehmende Leerstandsentwicklung in den Ortskernen ein großes Problem. Demgegenüber konnten die Beiträge aus Politik, Wissenschaft und Praxis zeigen, dass bereits heute intelligente Lösungen für beide Probleme genutzt werden können, wenn Bürgermeister*innen und Kommunalpolitiker entsprechenden Mut zeigen und den politischen Durchsetzungswillen besitzen.

 

ViSdP:

Roswitha Peters

Dietrich-Bonhoeffer-Str. 3

97828 Marktheidenfeld