Artikel vom 09.02.2024
Neujahrsempfang 2024
Neujahrsempfang 2024
Murnauer Tagblatt, Dominik Bartl, Peter Reinbold
Rund 1000 Teilnehmer: Aus Mahnwache wird Massenprotest
Murnau – Wer am Freitagabend das Murnauer Nobelhotel Alpenhof erreichen wollte – dorthin hatte die örtliche CSU zu ihrem Neujahrsempfang geladen –, der lief Gefahr, zu spät zu kommen oder keinen Parkplatz zu erhalten. Milchlaster, Radlader, Traktoren, Raupenfahrzeuge und normale Autos verstopften die Zufahrt. Auf den angrenzenden Feldern der Ramsachstraße reihte sich ein Fahrzeug an das nächste. Landwirte aus den Landkreisen Garmisch-Partenkirchen, Weilheim-Schongau und Bad Tölz-Wolfratshauen nutzen offenbar die Chance, bei den Politgrößen Alexander Dobrindt, Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Bayerns Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber und Landtagsabgeordneter Harald Kühn auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen, für die sie seit Monaten mit Vehemenz demonstrieren. Als Grund werden die Streichungen des Agrardiesels und der Unmut über die Bundesregierung genannt.
Geschätzt 1000 Teilnehmer und hunderte Fahrzeuge rund ums Hotel Alpenhof
Die Bauern aus der Region hatten über die Medien und Whatsapp zu einer Mahnwache vor dem Alpenhof aufgerufen, geworden ist daraus eine ausgewachsene Protestaktion, die die Erwartungen übertraf. „Wir waren überwältigt, dass so viele Menschen unserem Aufruf gefolgt sind und uns damit unterstützen. Darunter waren viele Privatpersonen, auch der Mittelstand war gut vertreten. Wir sind auf 1000 Teilnehmer gekommen“, sagte Versammlungsleiter Anton Lautner aus Seehausen. Florian Benedikt, Vizechef der Polizeiinspektion Murnau, sprach von „250 Traktoren, 120 Fahrzeugen, wir gehen von 700 bis 800 Personen aus“.
Stimmung bei Protest ist gut: Es gibt Würstl und Flaschenbier
Die Protestaktion verlief harmonisch, es herrschte gute Stimmung. Es wurden Würstl gebraten und Bier in Flaschen herumgereicht. „Die Versammlung ist friedlich und geordnet verlaufen“, sagt Benedikt.
Politprominenz sucht Kontakt zu den Bauern
Dazu beigetragen hat womöglich die Tatsache, dass die Politprominenz den Kontakt zu den Bauern suchte. Zunächst taten das vor dem Beginn der CSU-Veranstaltung Kühn und Rapp. Der Ortsvorsitzende der Christsozialen zeigte Verständnis: „Ich verstehe Euch vollkommen, so kann es nicht weitergehen, ich habe Verständnis dafür.“ Die Bauern beteuerten, dass der Protest nichts mit dem Neujahrsempfang und der bayerischen Regierung zu tun habe. Zum Ende des Mahnfeuers kamen noch Kaniber und Dobrindt nach draußen. „Das hat uns sehr gefreut“, sagt Lautner. Die Themen, die er dabei ansprach, seien die Gesetzesflut gewesen, die Auflagen, die weniger werden müssten. Auch habe man den Schutz der Außengrenzen angeschnitten, ebenso das Verteilen von Milliarden Euro ins Ausland, „die im eigenen Land dringend benötigt werden“. Solange ihre Forderungen ungehört bleiben, wollen sie weiter Druck machen. Die nächste Aktion ist schon geplant: Bereits am Mittwoch, 7. Februar, soll um 18 Uhr zwischen Farchanter Tunnel und Garmisch-Partenkirchen am Kreisverkehr das nächste Mahnfeuer stattfinden.
CSU-Politiker sichern Landwirten ihre Unterstützung zu
Während die Wiesen vor dem Hotel Alpenhof durch die Traktorenreifen matschig und aufgewühlt waren, die meisten Menschen versuchten, der Kälte zu trotzen, herrschte im Saal Loisach des Alpenhofs eine heimelige Atmosphäre. Rund 100 CSU-Mitglieder und Gäste in feinem Zwirn und guter Stimmung labten sich an Häppchen und an den Reden von Rapp, Kühn, Dobrindt und Kaniber. Breiten Raum nahmen stets die Bauernproteste ein und wie eng die CSU und die bayerische Staatsregierung an deren Seite stehen. „Unser Rückhalt darf nicht nachlassen“, erklärte Kaniber, die ihr zufolge zusammen mit Dobrindt bei der großen Protestdemo vor einigen Wochen in Berlin am Brandenburger Tor „Solidarität“ für die Bauern gezeigt haben will.
Kaniber: Tourismus ist sehr wichtig, darf Einheimische aber nicht überfordern
Ihr Ministerium hat seit der Landtagswahl einen neuen Zuschnitt erhalten und ist nun auch für den Tourismus zuständig, nachdem Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) ihr im Tausch für die Jagdzuständigkeit diesen Teilbereich überlassen hat. Dass der Landkreis Garmisch-Partenkirchen und damit auch das Blaue Land, dessen Mittelpunkt Murnau ist, zum Großteil von Tourismus lebt, ist Tatsache. Kaniber bat darum, man solle deshalb ein Wort wie „Overtourism“, das die Konflikte zwischen Besuchern und Einheimischen beschreibt, wenn die Gästeströme in einer Region zu einer zu hohen Belastung führen, „nicht in den Mund zu nehmen. Viele Betrieb sind auf Tourismus angewiesen“. Allerdings sei ihr auch klar, dass man die Menschen, „die hier leben, nicht überfordern“ dürfe. Ihr schwebt die Lenkung der Touristen vor. Eine Idee, die bereits Aiwanger 2020 vertrat, als er sich mit Bürgermeistern aus dem Oberland und dem Allgäu in Garmisch-Partenkirchen getroffen hatte, die ihm ihre Nöte und die ihrer Bevölkerung schilderten. Geworden ist aus dem Aiwanger-Gedanken bis heute nichts. Vielleicht gelingt Kaniber die Umsetzung.
Immer wieder volle Breitseite gegen die Ampelregierung
In allen Reden bekam die Ampel-Regierung volle Breitseite. Dobrindt, Kaniber, Rapp und Kühn watschten die Koalition lustvoll ab. Die Krankenhausreform, das Bürgergeld und und und. Dobrindt warnte davor, die bevorstehende Europawahl für einen Denkzettel zu nutzen. „Eine Wahl ist nie geeignet dafür“, mahnte er. Diejenigen, die den Denkzettel nehmen würden, „wollen etwas anderes als Freiheit in der EU“. Man müsse besser darüber reden, wie man die EU aufbauen kann, „statt sie kaputtmachen zu wollen, wie die AfD“. Dobrindt spekulierte darüber, ob es im Bund zu Neuwahlen kommt. Er wollte nicht Orakel spielen. Nur soviel: „Ob die Ampel bis 2025 durchhält, weiß ich nicht. Was ich weiß: Ihr fehlt ein gemeinsames Ziel.“
Für das Bonmot des Abends sorgte Rapp. Als er aus einem Gedicht zitierte, das aus dem Jahr 1883 stammt und das dem Pfarrer der Lamberti-Kirche in Münster zugeschrieben wird, in dem es im vorletzten Vers heißt „Gib den Regierenden ein besseres Deutsch
Und den Deutschen eine bessere Regierung“ erntete er donnernden Applaus und schallendes Gelächter.