Artikel vom 08.04.2018
Exzellente Informationsarbeit – aber manchmal auch blind
Verfassungsschützer Haldenwang zur Gefährdungslage bei der inneren Sicherheit
Exzellente Informationsarbeit – aber manchmal auch blind
Verfassungsschützer Haldenwang zur Gefährdungslage bei der inneren Sicherheit - von Dr. Karl Martin Graß
Die Todesfahrt von Münster war noch nicht geschehen und dennoch hieß die Warnung: es kann immer wieder etwas geschehen. Die Sicherheitslage in der Bundesrepublik bleibt gefährdet, aber wir haben sie zumeist unter Kontrolle.
Unter dieses Fazit kann man die Ausführungen stellen, mit denen der Vizepräsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, in Harburg aufwartete. Beim Themenabend des CSU-Ortsverbandes, zusammen mit dem CSU-Regionalarbeitskreis Innere Sicherheit und Polizei Nordschwaben sowie dem CSU-Außen- und Sicherheitspolitischen Arbeitskreis Donau-Ries stellte Haldenwang die Arbeit seiner Behörde vor. Harburgs CSU-Vorsitzender Wolfgang Stolz konnte zum diesem Themenabend auch den stellvertretenden Landrat Reinhold Bittner, den Landtagsabgeordneten Wolfgang Fackler und Bezirksrat Peter Schiele begrüßen.
Im voll besetzten Saal des „Eisbrunn“ kam es überdies zu einer lebhaften Diskussion mit Schwerpunkt auf den Bekämpfungsmöglichkeiten des Radikalismus.
Wichtigste Aufgabe seiner Behörde sei, so Haldenwang, das Sammeln von Informationen über alle Formen gefährlicher und extremistischer Bewegungen, Personen und Vereinigungen. Was den islamistischen Terror angehe, so meinte Haldenwang: “Es boomt auf allen Feldern!“ Sein Amt rechnet mit etwa 25 000 in Frage kommenden Personen, dazu wüchsen die Salafisten derzeit dynamisch. Von den nach Syrien gereisten Dschihadisten mit 980 Fällen sei etwa die Hälfte zurückgekehrt und unter Beobachtung.
Zugenommen habe das Tätigwerden von Frauen und von Jüngeren, teils Minderjährigen. Hervorstechend sei das Merkmal der radikalisierten Einzeltäter und der Kleingruppen – die großen Netzwerke träten kaum mehr in Er- scheinung.
Wichtig, aber auch schwierig sei die Beobachtung der Propaganda und der immensen Kommunikation im Internet, wo es um rasche Verbreitung von Vorstellungen zu Anschlagszielen und Anschlagsmitteln gehe.
Als ebenso gewichtig bezeichnete Haldenwang die Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus. 2016 habe es einen Höchststand an Gewalttaten gegeben. 50% der Rechtsextremisten sein mehr oder weniger gewaltbereit: es gebe viele Personen mit Neigung zu Waffenbesitz und Waffengebrauch. Verstärkt müsse man die Tendenz zu Musikveranstaltungen mit rechtsextremer Tendenz beobachten. Haldenwang widmete sich auch dem Linksextremismus, der besonders bei den Ereignissen in Hamburg im Sommer seine hohe Gewaltbereitschaft gezeigt habe. Hohe Aufmerksamkeit seines Amtes gelte verstärkt auch der Gruppe der sogenannten „Reichsbürger“.
Was das aktive Handeln angehe, so habe der Informationsstand seiner Behörde nicht nur viele Verbote von vor allem rechtsextremistischen Vereinigungen ermöglicht, sondern auch erheblich zur Verhinderung von Anschlägen beigetragen. Kritisch sah er das Vorgehen der Ausländerbehörden bei dem Einsatz des Mittels der Abschiebungen.
Bei aller guten Qualität der Information und Überwachung blieben, so Haldenwang, Wünsche offen, um den Werkzeugkasten der Verfassungsschützer zu verbessern. Größtes Problem sei die Kommunikationsüberwachung – weithin arbeite man noch mit den Rechtsmitteln aus der guten alten Zeit des Wählscheibentelefons. Vor allem die Unerreichbarkeit ausländischer Kommunikationsunternehmen sei ein Problem. Man müsse Zugriff auf Verbindungsdaten und die Netzknotenüberwachung haben, weil es nur so möglich sei, den intensiven Nachrichtenaustausch der extremistischen Gruppen und Personen zu erfassen.