Artikel vom 15.07.2019
Diese Woche gibt es die Chance, erstmals seit Walter Hallstein 1967 einen deutschen Kandidaten an die Spitze der EU Kommission zu wählen.
Kommentar zur Wahl des Kommissionspräsidenten
Manfred Weber abgelehnt
Der Moment, in dem Manfred Weber den Vorsitz der EU Kommission vermutlich verloren hat, war, als er im EU-Wahlkampf den zwar inhaltlich richtigen, vom Zeitpunkt her – weil noch im Wahlkampf- völlig verkehrten Vorschlag machte, er würde sich als Kommissionspräsident dafür einsetzen, Straßburg als zweiten Sitz des EU Parlamentes wegfallen zu lassen, um die sinnlose und teure Pendelei der EU Abgeordneten zu beenden. Diese grundsätzlich richtige Idee ist natürlich ein direkter Schlag ins Gesicht von Präsident Macron, gilt doch Straßburg als 2. Parlamentssitz bei unseren Freunden jenseits des Rheins als nicht verhandelbar.
Frankreich reagiert unverändert sensibel, wenn man ihm Symbole und Privilegien wegnehmen will, nicht jedes Land ist hierbei so altruistisch wie Deutschland, wo die europäische Integration ja nicht selten zum Maßstab nationalen Handelns wird. Logisch, dass Macron daraufhin keine Gelegenheit ausgelassen hat, Weber als zu unerfahren und aufgrund der Tatsache, dass er bislang keine Regierungsverantwortung hatte, als ungeeignet für den Posten als Kommissionspräsident zu disqualifizieren.
Was hierbei völlig untergeht: Weber, ob erfahren oder nicht, hat die Wahl gewonnen. Die EVP, das Bündnis der Konservativen, ist als stärkste Kraft aus der EU Wahl hervorgegangen. Mehr als 40 Millionen Europäer haben die Konservativen und ihren Spitzenkandidaten Manfred Weber gewählt. Von den großen EVP-Wahlkampfarenen in Paris, Rom und Madrid bis runter zum wackeren Team des CSU Ortsverbands Feldkirchen-Westerham haben sich Menschen für einen Bayern an der Spitze der EU-Kommission eingesetzt und engagiert.
Es dürfte nicht ganz einfach werden, Menschen zum Engagement in Parteien und für einen gemeinsamen Kandidaten zu gewinnen, wenn Wahlsieger „per ordre de mufti“ auf nachrangige Posten wie den Präsidenten des EU-Parlaments - und das auch nur in der 2.Hälfte der Legislaturperiode- abgeschoben werden können. Die ohnehin reichlich ramponierte Brüsseler EU und vor allem die Staats-und Regierungschefs machen mit dieser Art der Personalpolitik hier keine „bella figura“. Man hätte Macron deutlicher und engagierter widersprechen müssen. Der Spitzenkandidat, der die Wahl gewinnt, sollte auch derjenige sein, der das Amt des Kommissionspräsidenten erhält. Vom nur mäßig engagierten Einsatz von Angela Merkel für Manfred Weber wollen wir hier lieber den Mantel des Schweigens ausbreiten.
Der Moment, in dem Ursula von der Leyen das Vertrauen der ihr unterstellten Soldaten vermutlich verloren hat, war, als sie den Soldaten der Bundeswehr im Rahmen der Ermittlungen des in jeder Hinsicht merkwürdigen Vorfalls des rechtsradikalen Oberleutnants Franco A. ein generelles Haltungsproblem unterstellte. Dies kam im Offizierskorps und bei den Soldaten überraschenderweise nicht gut an.
Man stelle sich vor, ein Joe Kaeser hätte ähnliches über die Belegschaft von Siemens gesagt. Spätestens mit dieser Äußerung war von der Leyen als Ministerin verbrannt, da sich Untergebene relativ ungern derart ehrenrührige Unterstellungen gefallen lassen. Da hilft es auch nicht, dass sie mit den Trendwenden Personal und Material gute Ansätze verfolgt hat, die Bundeswehr zu einem modernen Arbeitgeber weiterzuentwickeln und versucht hat, den gordischen Knoten beim Beschaffungswesen mit neuen Strukturen zu durchschlagen. Allerdings war spätestens mit dem Abgang von Staatssekretärin Suder klar, dass man was die Neuordnung der Beschaffung von Material angeht, auf halbem Wege stehengeblieben ist und die Arbeit noch lange nicht getan ist.
Nun also die Flucht nach Brüssel, weg vom Moloch BMVg.
Man hat sie nicht gewählt, sie hat nicht kandidiert. Ursula von der Leyen musste sich in ihrer Karriere noch keiner Wahl stellen. Das ist ein Manko, obwohl ihr, der mehrsprachigen, in Brüssel Geborenen, die Fähigkeit, auf europäischem Parkett zu reüssieren, nicht ohne weiteres abzusprechen ist. Sie sei zu wolkig geblieben in ihrer Präsentation, sagen die Kritiker. Nun ja. Als ob das konkrete Vorbringen von Ideen und Projekten die ganz große Stärke von Kandidaten wie Franz Timmermans und Margarete Vestager gewesen wäre. Brüssel ist immer etwas wolkig, das liegt in der Natur einer supranationalen Vereinigung mit 28 Mitgliedsstaaten.
Diese Woche zeigt sich nun, ob Ursula von der Leyen das EU-Parlament von ihr überzeugen kann. Hilfreich ist hierbei das Verhalten von deutschen Sozialdemokraten und Grünen nicht. Ja, von der Leyen stand nicht Wahl. Ja, Manfred Weber wurde durch die Kungelei der Franzosen um seine Chance beraubt, Chef der Kommission zu werden. Ja, von der Leyen hat nur eine durchwachsene Bilanz als Verteidigungsministerin vorzuweisen. Aber: diese Woche gibt es die Chance, erstmals seit Walter Hallstein 1967 einen deutschen Kandidaten an die Spitze der EU Kommission zu wählen. Deutschland sollte sich deshalb hinter seine Kandidatin stellen, aus nationalem Interesse, trotz des Magengrollens, ob der Tatsache, wie diese Kandidatur zustande gekommen ist.
Ein pragmatischer Brite würde angesichts dieser Chance sagen: „Right or wrong, my country.“ Schade, dass diese Art von Pragmatismus nicht von deutschen Grünen und Sozialdemokraten erwartet werden kann.
Konrad Herborn, CSU OV Feldkirchen-Westerham