Ortsverband Ebermannstadt

Fragen aus der Stadtratssitzung

Rede zur Entwicklung des Einzelhandels am Oberen Tor

Rede zur Entwicklung des Einzelhandels am Oberen Tor, Ebermannstadt der Stadtratsfraktion CSU/JB am 27.03.2017

Verehrte Frau Bürgermeister,
verehrte Kolleginnen und Kollegen,
verehrte Bürgerschaft,
verehrte Vertreter der Presse.

Die CSU/JB-Stadtratsfraktion steht der Entwicklung des Oberen Tores im Sinne von ISEK - Optimierung der Anbindung des Bereichs „Oberes Tor“ - grundsätzlich positiv gegenüber. Die dort genannte Empfehlung, die Distanz zwischen den Märkten und der Altstadt zu verkürzen und somit strukturelle Verbesserungen zu erreichen, gleich, ob es sich um die Erweiterung bestehender Einrichtungen oder um Neuansiedlungen handelt, wird von uns befürwortet.

Mit dem sog. Grundsatzbeschluss vom 12.12.16 wurde ein grundsätzliches Interesse an den Planungen von Sontowski & Partner - vorbehaltlich eines Verträglichkeits- und Verkehrsgutachtens - bejaht. Zweck einer Bauleitplanes ist ja gerade, öffentliche und private Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen (Abwägungsgebot) – genau dies hat sich die Stadtratsfraktion CSU/JB in den letzten Wochen auch zur Aufgabe gemacht. ALDI kann als „der“ Frequenzbringer für Ebermannstadt / der Innenstadt bezeichnet werden. Eine Erweiterung des Marktes kann deshalb durchaus Vorteile für die Stadt bringen.

Die Notwendigkeit eines zusätzlichen Vollsortimenters kann jedoch aufgrund der uns vorliegenden Fakten und Daten derzeit nicht nachvollzogen werden. Hier sind viele Fragen offen und letztendlich die Konsequenzen aus dem Projekt für die Entwicklung unserer Stadt unklar.

In chronologischer Reihenfolge:

1. CIMA-Gutachten 2013, Ziffer 5.2 Einzelhandel/Branchenkonzept

Feststellungen (S. 32): Im Lebensmittelbereich gibt es ein offenes Umsatzpotential von ca. 700.000€. Das wäre ein Potential für einen Spezialanbieter vor allem im Frische- (Obst/Gemüse) und Biobereich (auch ergänzt um Reformware).

Eine Neuansiedlung eines Supermarktes wird (unabhängig vom Standort) deutliche Umsatzpotentiale zur Folge habe.

Feststellungen (S. 37): Bei der Bewertung des Standortprofils Oberes Tor wird dieses unter der Rubrik Ökonomische Effekte – Frequenzbringer Innenstadt in den Stufen +, -, 0 mit „0“ bewertet.

Eine Erhöhung der Frequenz für die Innenstadt kann offenbar in Verbindung mit dem Standort Oberes Tor nicht abgeleitet werden!

2. Im Stadtratsprotokoll vom 27.07.15 wurden anlässlich einer Anfrage zur geplanten Ansiedlung eines Lebensmittelmarktes in Weilersbach folgende Feststellungen für Ebermannstadt getroffen:

Neben dem oben genannten offenen Umsatzpotential von ca. 700.000 € findet sich folgende Aussage:

  • „Im Dialog mit den Planern, der CIMA und der Regierung wurde Folgendes festgestellt:
    o Ein weiterer Vollsortimenter benötigt ein Umsatzpotential von ca. 7,5 Mio €

Stellt man das offene Umsatzpotential von 0,7 Mio € dem benötigten Umsatzpotential von 7,5 Mio € gegenüber, kann ein weiterer Vollsortimenter in Ebermannstadt nicht wirtschaftlich betrieben werden.

3. Im unserem Integrierten städtebaulichen Entwicklungskonzept – ISEK – vom Juli 2016 wurde zur Thematik Grundversorgung auf S. 83 folgende Feststellung getroffen:

Ausbaupotential besteht nach den Berechnungen des Einzelhandelskonzeptes der CIMA (2013) sowie nach eigenen Berechnungen in Ebermannstadt nicht.

Deutlich wird das anhand einer kurzen Umsatzberechnung. Die CIMA hat 2013 für Ebermannstadt ein noch bindungsfähiges Umsatzpotential bei Lebensmitteln in Höhe von rd. 0,7 Mio. € berechnet. Dieses Potential dürfte durch die Erweiterung der Netto-Filiale inzwischen weitgehend erschöpft sein.

Weiterhin wird im ISEK Juli 2016 festgestellt:

„Bereits bei einer Filialgröße von 1200qm Verkaufsfläche wäre somit eine Überausschöpfung des sortimentsrelevanten Umsatzpotentials um 4,6 Mio € anzunehmen.

Eine Gefährdung des dz. Lebensmittelmarktes an der Altstadt würde sich auch spürbar auf die Geschäftslage der Innenstadt bzw. auf den Zentralen Versorgungsbereich auswirken“.

Zusammenfassen lässt dies folgende Bewertung zu: Die Fachberater von ISEK untermauern somit im Juli 2016 die Einschätzung des CIMA-Gutachtens aus 2013. Demnach kann ein Vollsortimenter nicht wirtschaftlich betrieben werden und gefährdet zudem unserer Innenstadt!

4. Das Verträglichkeitsgutachten CIMA 2017 liegt dem Stadtrat erst seit letzten Donnerstag, 23.03.17, in Gänze vor. Deshalb mussten wir uns für die Bewertung der Sachlage teilweise auf die bisher verfügbaren Unterlagen und eigenen Recherchen beschränken. Ein Abgleich des neuen Gutachtens 2017 konnte seitens unserer Fraktion daher in der Kürze der Zeit nur kursorisch erfolgen.

Hier ergeben sich folgende Fragen:

  • Laut CIMA 2017 verfügt Ebermannstadt im Vergleich zu anderen Mittelzentren über eine rd. 0,3qm pro Kopf zu geringe Verkaufsfläche.

Was bedeutet dies konkret und welche Überlegungen sollen mit einem Vergleich der Mittelzentren (unserer Region zum Beispiel Forchheim, Hollfeld, Kronach, Lichtenfels, Lauf, Hersbruck etc.) in Bezug auf die Entwicklung des Oberen Tores angestrengt werden?

Was bedeutet die Fläche von 0,3qm – also in Größe einer handelsüblichen Fliese - tatsächlich an Vor- bzw. Nachteil im Verkauf?

  • Im Gutachten 2017 wird ein ungedecktes Umsatzpotential im Bereich Lebensmittel in Höhe von 3,11 Mio € festgestellt. Im Jahr 2013 lag dieses wie bereits mehrfach erwähnt bei 0,7 Mio €.

Wie lässt sich diese etwa 4,5-fache Erhöhung in nur wenigen Jahren erklären?

  • Themenfeld Bevölkerungsanteil und Einzugsgebiet
  • Der Abgleich der amtlichen Bevölkerungszahlen für Ebermannstadt von 2013 bis 2015 weist eine rückläufige Entwicklung auf.
  • Auch die Bevölkerungsvorausberechnung des Landratsamtes Forchheim für den Zeitraum 2014 – 2024 prognostiziert für Ebermannstadt einen Rückgang.
  • Das Gleiche gilt für Gesamtbevölkerung in den umliegenden Gemeinden von Ebermannstadt.
  • Die Einberechnung von Hollfeld und Waischenfeld in das Einzugsgebiet erscheint uns zu weit gegriffen, zumal diese Kommunen selbst über Supermärkte vor Ort verfügen.

Das potentielle Einzugsgebiet kann hier also auch kein Maßstab sein.

  • Themenfeld Verbrauchsausgaben +4,7%

Das Statistische Bundesamt attestiert eine Veränderung bei den Konsumausgaben privater Haushalte nicht in dieser Höhe.

Die Verbrauchsausgaben werden hier im Vergleich zum Gutachten rund 1/3 niedriger angesetzt.

  • Themenfeld Rückführungspotentiale

Im Gutachten werden Rückführungspotentiale aus den Kommunen Hollfeld und Pegnitz angesprochen.

Bedeutet dies, um einen Kaufkraftabfluss zu verhindern, müssten die Verkaufsflächen im Vollsortimenterbereich in Ebermannstadt erhöht werden?

Im Sitzungsprotokoll des Stadtrates vom 27.07.15 findet sich folgende Aussage:

Gemäß Aussage Geoplan und CIMA sehen diese in der Ansiedlung eines Supermarktes in Weilersbach kaum Auswirkungen auf die Kaufkraft in Ebermannstadt.

Warum müssen hiesige Märkte in Größe und ggf. Attraktivität zur Verhinderung bzw. Rückgewinnung von Kaufkraftabflüssen aus Hollfeld und Pegnitz ausgebaut werden, wenn nicht einmal der Vollsortimenter im benachbarten Weilersbach Auswirkung auf die Kaufkraft besitzt?

  • Themenfeld Bestandsmarkt vs. Neuansiedelung

Mit Eröffnung des Vollsortimenters Oberes Tor soll der Bestandsmarkt am Kirchenwehr zu einem Frische- / City-Markt umgewandelt werden

Auch hier haben wir größte bedenken, dass dieser Markt bis 2030 neben dem neuen Vollsortimenter betriebswirtschaftlich geführt werden kann.

Gestützt wird diese These durch die von REWE selbst festgelegten Standorteigenschaften (nachzulesen auf dortigen Homepage), die ein derartiger Markt neben einem klassischen Markt haben sollte, nämlich eine Verkaufsfläche von 500 bis 1.000qm und Städte mit mehr als 100.000 Einwohnern.

Wie kann das Konzept Frische-/City-Markt dann in Ebermannstadt funktionieren?

Was nützen uns vertragliche Garantien, wenn es für den Betreiber wirtschaftlich nicht darstellbar ist.

Wie soll die angedachte Bestandsgarantie REWE Kirchenplatz sichergestellt werden? Gibt es hier dann eine Vertragsstrafe?

Ist mit den geplanten 40 Sitzplätzen im Frische-/City-Markt am Kirchenplatz eine Reduzierung der Aufenthalte in der Innenstadt und am Marktplatz zu befürchten?

5. Darüber hinaus fehlt das vom Stadtrat beantragte Verkehrsgutachten.

Wie würde sich ein stark frequentierter Fahrzeug- und Fußgängerverkehr – wie er durch das Projektvorhaben entstehen würde – auf die Innenstadt und auf die Knotenpunkte Oberes Tor / Ramstertal und auf die Einmündung Ramstertal zur B 470 auswirken?

Ein leistungsfähiger Kreisverkehr im Gegensatz zu einer Ampelregelung wird z.B. nach uns bekannten Aussagen dort in absehbarer Zeit nicht realisiert werden.

Auch die Umkehrung der Fahrtrichtung in der Hauptstraße bzw. Sperrung des Marktplatzes etc. wurden als mögliche Verkehrsführungen insbesondere im ISEK diskutiert.

Warum sollte heute dennoch eine Zustimmung zum Projekt Oberes Tor erfolgen, wenn das Verkehrsgutachten vom Bauwerber noch nicht vorliegt?

Frau Bürgermeisterin,
verehrte Kolleginnen und Kollegen,

wie eingangs erwähnt, stellt sich die CSU/JB-Stadtratsfraktion nicht gegen eine Entwicklung am Oberen Tor. Doch die aufgezeigten Widersprüche und Fragen müssen erst geklärt sein, bevor wir hier im Stadtrat verantwortungsvoll entscheiden können. Alles andere wäre fahrlässig!

In der letzten Stadtratssitzung haben wir auch ein Zentrenmanagement gemäß ISEK beschlossen. Lassen wir dieses doch erstmal beginnen und nicht mit einer Entscheidung heute vollendete Tatsachen schaffen. Die Aussagen von ISEK wären nach nicht einmal einem Jahr auf den Kopf gestellt!

Wir sind zudem der Meinung, dass wir unseren Fokus bei der Entwicklung am Oberen Tor nicht allein auf Supermärkte legen sollten. Vielleicht gibt es weiter Entwicklungsoptionen – eine Festsetzung heute würde uns diese Möglichkeiten jedoch unwiederbringlich nehmen.

Weiterhin werden im nächsten Bauausschuss auch die Entwicklungsmöglichkeiten im Bereich Friedhofstraße erörtert. Diese sollten zunächst zur Kenntnis genommen und Zusammen mit dem Oberen Tor analysiert werden. Wir dürfen das nicht voneinander trennen!

Nehmen wir uns also die Zeit, um in erster Linie zunächst die Unstimmigkeiten und offenen Fragen in den Gutachten zu klären und in einem weiteren Schritt eine Gesamtschau auf die Entwicklung Oberes Tor und Friedhofstraße zu legen.

Der Stadtrat sollte deshalb den Beschlussvorschlägen zum Oberen Tor heute nicht zustimmen und in weiteren Beratungen die Entwicklungsperspektiven – die sicherlich die nächsten 20 bis 30 Jahre Bindungswirkungen entfalten – sorgfältig analysieren, bewerten und danach beschließen!

CSU/JB-Stadtratsfraktion