Artikel vom 03.02.2021
Koalitionskrach im Rathaus um Tempo 30
Mit Mut, Visionen und Zuversicht ins verkehrspolitische Desaster
GLOSSE
Wer heute die Presse in München verfolgt hat*, wird sich vermutlich erstaunt die Augen gerieben haben. Was ist da im Rathaus los? Da haben die GRÜNEN ihren Koalitionspartner SPD/Volt so richtig vor den Kopf gestoßen. In einer nicht abgestimmten Pressemitteilung fordern die GRÜNEN ein grundsätzliches Tempolimit auf 30 km/h in ganz München – sehr zur Überraschung der gar nicht erfreuten SPD/Volt-Fraktion, die den Verursachern wiederum in ungewohnter Schärfe „blinden Autohass“ und „Arroganz“ vorwirft.
Da in München bereits auf 85% der Straßen ein Tempolimit von 30 km/h besteht, liegt der Schluss nahe, welche Straßen die GRÜNEN mit diesem Vorschlag treffen wollen: Die verhassten Hauptverkehrsstraßen, auf denen ein Großteil des Münchner Verkehrs abgewickelt wird. Die Folgen sind leicht auszumalen: Deutlich mehr Verkehr in den Wohngebieten – mangels schnellerer Alternativen –, aber auch langsamerer Bus-, Wirtschafts- und Pendlerverkehr.
Mit dem Feingefühl einer Dampfwalze haben die GRÜNEN ein altes Konzept aus der politischen Mottenkiste auf den Tisch gelegt, welches gerade in der Pandemie-Situation die am Boden liegende Wirtschaft weiter schwächt. Man bekommt den Eindruck, dass die grüne Stadtratsfraktion den Titel der Koalitionsvereinbarung „Mit Mut, Visionen und Zuversicht: Ganz München im Blick“ mit SPD/Volt zu wörtlich nimmt:
Mut haben sie, dass muss man ihnen lassen, gerade jetzt auf diese Weise mit so einem abstrusen Thema um die Ecke zu kommen.
Als große Vision kann man die Idee sicherlich bezeichnen, obwohl sie bereits viele Jahre auf dem Buckel hat und bereits unter dem ehemaligen Münchner Kreisverwaltungsreferent Blume-Beyerle diskutiert wurde. Was von Visionen zu halten ist, hat übrigens Altbundeskanzler Helmut Schmidt treffend auf den Punkt gebracht: „Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen“.
Und Zuversicht? Zuversicht scheinen sie auch zu haben. Anders ist es nicht zu erklären, gerade jetzt die verkehrliche Situation in ganz München nach dem Prinzip „irgendwie wird’s schon gut gehen“ weiter zu verschärfen, nur um blinde Ideologie durchzusetzen. Und anders ist es auch nicht zu erklären, trotz dieses offensichtlichen Defizits in Sachen Regierungsfähigkeit weiter darauf zu vertrauen, dass die Koalition trotzdem hält.
„Ganz München im Blick“: Dieser Satz liest sich in diesem Zusammenhang eher wie eine Drohung. Was planen die GRÜNEN als nächstes, um München aus der Bahn zu werfen? Offensichtlich weiß noch nicht mal der Koalitionspartner SPD/Volt, welchen Kracher man als nächstes vor die Füße geworfen bekommt.
https://www.br.de/nachrichten/bayern/blinder-autohass-streit-um-tempo-30-in-muenchen,SNy2Cmi und https://www.sueddeutsche.de/muenchen/muenchen-politik-tempolimit-gruene-spd-1.5194410 und https://www.bild.de/regional/muenchen/muenchen-aktuell/gruen-rot-im-rathaus-muenchen-vollgas-zoff-wegen-tempo-30-75194892.bild.html