Artikel vom 23.10.2024
Stadtverband Alzenau
Das neue Cannabisgesetz – Game-Changer oder Büchse der Pandora?
Am Abend des 23. Oktober 2024 lud der CSU-Stadtverband Alzenau die Bürgerschaft zum Informations- und Diskussionsabend zum Thema „Das neue Cannabisgesetz – Game-Changer oder Büchse der Pandora?“ ins wiedereröffnete Wirtshaus „Zum Grünen Baum“ im Stadtteil Kälberau ein.
Nach einer kurzweiligen Begrüßung durch den CSU-Stadtverbandsvorsitzenden Yannick van Laak führte dieser zunächst in das Thema des Abends ein. Hierbei stellte van Laak insbesondere die Historie von Cannabis in Deutschland dar. So waren Cannabisprodukte bereits im Jahr 1872 frei in Apotheken erhältlich, bis 1929 erstmals ein Verbot zu Genusszwecken erfolgte. Fortan konnte Cannabis zu medizinischen Zwecken weiterhin in Apotheken erworben werden, bis sämtliche Umgangsformen mit Inkrafttreten des Betäubungsmittelgesetzes im Jahr 1971 unter Strafe gestellt wurden. Seit 2017 ist die kontrollierte Abgabe an Schwerkranke wieder erlaubt, mit einem Eckpunktepapier der Ampel-Regierung aus dem vergangenen Jahr sollte der Startschuss zu einer vollumfassenden Legalisierung gesetzt werden. Seit April 2024 sind der private Eigenanbau von bis zu drei Pflanzen und der Besitz von bis zu 50g Cannabis am Wohnsitz bzw. 25g in der Öffentlichkeit erlaubt, seit Juli 2024 ist auch die Anmeldung von Anbauvereinigungen (sog. „Social Clubs“) möglich. Zwar sah die Bundesregierung auch den Verkauf in lizensierten Fachgeschäften vor, dies wird jedoch kaum umsetzbar sein. Infolge der europäischen Binnengrenzöffnung vereinbarten sich alle Mitgliedstaaten des Schengener Abkommens darauf, dass die unerlaubte Ausfuhr sowie der Verkauf von Betäubungsmitteln aller Art – einschließlich Cannabisprodukten – mit verwaltungs- und strafrechtlichen Mitteln konsequent unterbunden wird. In den sog. „Coffeeshops“ der Niederlande ist der Verkauf von Cannabisprodukten letztlich nur geduldet, jedoch grundsätzlich nicht legal; die Shopbetreiber selbst müssen sich die Produkte jedenfalls illegal besorgen, da selbst der Eigenanbau in den Niederlanden verboten ist.
Dr. Jennifer Konik, Oberärztin im Bezirkskrankenhaus Lohr und Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, beleuchtete die Thematik anschließend aus medizinischer Sicht. Sie stellte zunächst die akuten und längerfristigen Wirkungen von Cannabis dar. So kann der Konsum von Cannabis zwar nicht zu einer physischen, jedoch zu einer psychischen Abhängigkeit führen, die häufig mit Entzugserscheinungen wie Angst, Unruhe und Schlaflosigkeit einhergeht. Auch das Psychoserisiko ist signifikant erhöht. Zudem ist insbesondere bei frühem Cannabiskonsum vor dem 15. Lebensjahr ein Zusammenhang mit einem frühzeitigen Schulabbruch bzw. verminderten Bildungsniveau beobachtbar. Weiterhin entwickeln mehr als die Hälfte aller Cannabis-abhängigen Personen in ihrem Leben eine weitere psychische oder gesundheitliche Störung durch Alkohol- und Substanzkonsum (sog. „psychiatrische Komorbidität“). In den USA, wo Cannabis in einigen Bundesstaaten seit mehreren Jahren legal ist, lässt sich ersten Studien zufolge beobachten, dass die Risikowahrnehmung in Bezug auf die gesundheitlichen Gefahren des Cannabiskonsums trotz der Beschränkung des legalen Erwerbs auf Erwachsene insbesondere bei Minderjährigen abgenommen hat. Dies resultiert in erheblich steigenden Zahlen von Cannabis-abhängigen Minderjährigen. Letztlich gilt es jedoch auch festzustellen, dass die gesundheitlichen Folgen von Cannabis-Konsum im Gesamten grundsätzlich von geringerem Ausmaß als beispielsweise bei Missbrauch von Alkohol sind. Aus medizinischer Sicht wird am neuen Cannabisgesetz insbesondere kritisiert, dass der Prävention eine nur unzureichende Rolle zukommt und die Frei- bzw. Eigenbedarfsmengen sehr hoch sind.
Zuletzt stellte der Erste Kriminalhauptkommissar Holger Wenzel, Leiter des Rauschgiftdezernats der Aschaffenburger Kriminalpolizei, die polizeiliche Sicht auf das neue Cannabisgesetz dar. So führte Wenzel zunächst aus, dass es in ganz Bayern aufgrund der strengen Auflagen noch keine einzige Cannabis-Anbauvereinigung gibt und der einzig legale Weg der Beschaffung folglich im Eigenanbau besteht. Hierbei gilt zu beachten, dass der Zugriff auf die eigenen Pflanzen nicht durch Dritte möglich sein darf – auch nicht etwa durch einen im selben Haushalt lebenden Ehepartner. Die meisten Konsumenten beschaffen ihr Cannabis daher weiterhin auf dem Schwarzmarkt. Zudem wurde die gesetzliche Strafandrohung für das unerlaubte Handeltreiben mit Cannabis unter Mitführen von Waffen jeglicher Art reduziert. Diese Umstände erleichtern illegalen Dealern ihr Handwerk erheblich. Als problematisch erweist sich auch, dass der Grenzwert für den Besitz einer „nicht geringen Menge“ – die sich erheblich strafverschärfend auswirkt – nicht erhöht wurde, da der Bundesgerichtshof abweichend vom Gesetzgeber nicht von einer geänderten Risikobewertung hinsichtlich Cannabis ausgeht. So kann es durchaus sein, dass der Grenzwert durch die erfolgreiche Ernte von drei größeren Cannabispflanzen – die legal angebaut werden dürfen – bereits erreicht wird. In der Konsequenz ist eine Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten bis hin zu fünf Jahren vorgesehen. All diese Umstände führen bisweilen dazu, dass für die Polizei keineswegs die erhoffte Entlastung und damit einhergehende Einsparung öffentlicher Mittel eingetreten ist.
Im Anschluss an die Vorträge wurde unter den anwesenden Gästen noch angeregt debattiert. Die Meinungen, ob die Legalisierung von Cannabis grundsätzlich der richtige Schritt war, gingen hierbei stark auseinander. Einigkeit bestand letztlich dahingehend, dass das neue Cannabisgesetz in jedem Falle noch erheblicher Nachbesserung bedarf.