Artikel vom 29.01.2024
160 Minuten Politik
Großes Interesse an Veranstaltung des CSU-Ortsverbandes zur Gemeindepolitik
Der Stammtisch „60 Minuten Politik“ ist seit vielen Jahren fester Bestandteil im Veranstaltungsplan der CSU Ainring. Zu wechselnden Themen werden stets interessante Gäste eingeladen und über aktuelle Themen gesprochen. Doch einen solchen Andrang zu diesem Format hatten auch langjährige Mitglieder noch nicht erlebt. Über 60 Bürgerinnen und Bürger waren zum Auwirt nach Hammerau gekommen. Nachdem der Wirt noch zusätzliche Stühle gebracht hatte, fanden die meisten einen Sitzplatz. Entsprechend erfreut zeigte sich Ortsvorsitzender Bernhard Dusch bei seiner Begrüßung, da mit der Möglichkeit für die Bürger, zu aktuellen Gemeindethemen Stellung zu nehmen, offenbar ein Nerv getroffen worden war. Zunächst fragte Dusch die Themen ab, die vorrangig diskutiert werden sollten.
Erwartungsgemäß brannten den Besuchern vor allem die großen Bauprojekte in Ainring unter den Nägeln: die kürzlich beschlossene Ansiedelung von drei Geschäften am Schmiedinger Weiher, die Vorhaben im Dorf Ainring und die Umgestaltung der Reiter Alm zugunsten einer psychosomatischen Reha-Klinik. Nachdem schnell klar war, dass die 60 Minuten für die vielen Meinungen nicht ausreichen werden, warf Bernhard Dusch den Zeitplan frühzeitig über Bord. Schließlich sollte jeder seine Meinung sagen können.
Der Gemeinderat gab erst kürzlich den Startschuss zur Änderung des Bebauungsplans nördlich der Mitterfeldener Turnhalle, der bislang dort ein Sport- und Freizeitgelände vorsah. Dort soll eine Kombination aus drei Geschäften errichtet werden, betrieben durch Edeka, Aldi und dm. Die anwesenden Gemeinderäte der CSU, es war fast die gesamte Fraktion vor Ort, erklärten die grundsätzliche Motivation hinter dem Vorhaben (wurde bereits berichtet). Die anwesenden Bürgerinnen und Bürger betonten, dass der vermeintliche Vorteil für die Senioren an diesem Standort sich in Nichts auflöse, da wohl kaum einer mit Rollator oder Rollstuhl den Weg aus der Ortsmitte bis zum Schmiedinger Weiher machen würde. Wer soweit mobil sei, dass er mit dem Auto fahren könne, der könne auch gleich den nur wenige Kilometer entfernten Globus ansteuern. Außerdem bezweifelten viele Besucher, dass es zwei Discounter in direkter Nachbarschaft brauche, zumal es auch in Freilassing genügend davon gäbe. Ebenso wurde der Wegfall des Sportgeländes bedauert. Statt eines Allwetterplatzes und Trainingsmöglichkeiten für die Vereine käme nun dieser monströse Bau, so der Tenor. Die Gemeinderäte wollen all diese Argumente in das nun angelaufene Bebauungsverfahren einbringen. Dass auch die Räte der CSU nicht glücklich über diesen Standort sind, zeigte bereits die Abstimmung: die sieben Gegenstimmen kamen fast alle von der CSU. Daher konnte Ernst Peter als Fraktionssprecher die vorgebrachten Bedenken durchaus nachvollziehen.
Um das Ausmaß und die Größe ging es auch bei den nächsten besprochenen Projekten, die mit dem neuen Bebauungsplan Ainring A verwirklicht werden sollen, namentlich um eine Form des Betreuten Wohnens am Dorfpark sowie eines Hotelneubaus eines Ainringer Gastronomen. Die zahlreich erschienen Bewohner des Dorfes Ainring äußerten ihre Sorge, dass diese beiden Vorhaben den dörflichen Charakter ihres Ortes zerstören würden. Insbesondere der Hotelbau würde viel Verkehr durch das Dorf nach sich ziehen und die Verkehrssicherheit gerade für die Kinder beeinträchtigen. Auch Befürworter meldeten sich zu Wort: „Andere Ortsteile hätten sich über ein solches Projekt für Senioren sehr gefreut, war etwa zu vernehmen, und: „Wir werden alle älter und bevor ich in ein anonymes Heim gehe, dann lieber in eine solch familiäre Umgebung“ . Zudem habe der Planer Stefan Mayer viel Erfahrung in diesem Bereich und setze sein Konzept dieser Wohnform in ganz Deutschland um, etwa auch in Kirchanschöring. Daher, so erklärte etwa die CSU-Rätin und 2. Bürgermeisterin Rosmarie Bernauer, habe man diesem Vorhaben auch gerne zugestimmt, nicht zuletzt weil die CSU das Wohnen für alle Generationen in ihren letzten Wahlprogrammen als eine Kernforderung formuliert hatte.
Hoch umstritten ist das vor über einem Jahr gestartete Bebauungsplanverfahren „Reiter Alm“ . Der Eigentümer des dortigen Betriebs hat sich entschieden, den Pachtvertrag zu kündigen und das Grundstück zu verkaufen. Die Käufer beabsichtigen, auf der Reiter Alm eine Reha-Klinik für Psychosomatik zu errichten. Hierfür muss ebenfalls der Bebauungsplan geändert werden. Seit dem Grundsatzbeschluss hierfür werden verschiedene Gutachten eingeholt, die etwa die Verkehrs- und Umweltbelastung erörtern sollen. Erst nach deren Abschluss und nach mehrfacher Auslegung, bei der auch die Bürger ihre Bedenken vorbringen können, wird eine endgültige Entscheidung gefunden. Zusätzliche Brisanz hat das Thema nun durch einen Bürgerantrag erfahren, der eine Beibehaltung des aktuellen Zustandes der Reiter Alm fordert und für den Unterschriften gesammelt wurden. Ein solcher Bürgerantrag sei natürlich ein legitimes Instrument in einer Demokratie, so Dusch, jedoch müsse klar sein, dass auch der Bürgerantrag den Eigentümer nicht zwingen kann, dort oben weiter eine Wirtschaft und ein Wellnesshotel zu betreiben. Schlimmstenfalls stehen die Gebäude dann leer. Der Landkreis fände sicher eine Verwendung dafür, meinte einer der Diskussionsteilnehmer süffisant und spielte wohl auf eine mögliche Flüchtlingsunterbringung im Fall eines Leerstandes an. Andere wiederum verwiesen auf den gestiegenen Bedarf an Plätzen für psychosomatische Patienten, vielleicht bekäme sogar ein Kassenarzt dort eine Niederlassung. Hierauf wurde entgegnet, dass ein Kassensitz nur aus der unmittelbaren Umgebung verlagert werden kann, was zu keiner Erhöhung der Versorgung führe. Jeder Ort könne froh sein, wenn ein Investor mit Handschlagqualitäten wie die Firma Brüderl, die er seit vielen Jahren kenne, ein solches Projekt verwirkliche, merkte dagegen ein weiterer Gast an. Viele Wortmeldungen störten sich insbesondere an dem Ausmaß des angedachten Neubaus an dem so sensiblen Bereich in bester Lage. Es wurde in dieser Debatte offensichtlich, dass es Befürworter und Gegner einer Reha-Klinik gibt und es gilt, alle Argumente sorgfältig abzuwägen.
Um genau diese Argumente zu hören und zu sammeln, dafür war die Veranstaltung gedacht. Statt wie geplant 60 Minuten waren es am Ende gut 160 Minuten Politik, weshalb hier nur ein grober Überblick über die Wortmeldungen gegeben werden kann. Bernhard Dusch war trotzdem zufrieden, gab aber zum Schluss eines zu bedenken: Es ist natürlich Aufgabe der Parteien, die Bürger zu informieren, auch Entscheidungen zu erklären und in der Diskussion womöglich auf andere Ergebnisse zu kommen. Doch auch die Bürger stehen in einer gewissen Pflicht, sich zu informieren und auf Gemeinde und Gemeinderäte zuzugehen. Und Ernst Peter ergänzte: „Bei den Gemeinderatssitzungen sind die Zuschauerreihen fast immer leer, dabei kann man dabei schon viel über unsere Beweggründe erfahren. “ In diesem Sinne luden beide alle Bürger ein, konstruktiv mitzuarbeiten und Ainring gemeinsam voranzubringen, gerne auch bei einem nächsten Stammtisch „60 Minuten Politik“.