Leibspeise Mais, aber auch der Rest schmeckt
Saatkrähen
Donnerstag, 23. Mai 2024, Erdinger Anzeiger / Lokalteil VON DIETER PRIGLMEIR
Saatkrähen fressen alles und lassen sich nicht vertreiben – Die Landwirte fordern Hilfe
Da schaun S’, die machen gerade Brotzeit, direkt unter dem künstlichen Vogel. Fritz Bauschmid über die missglückte Vergrämung
Erding – „Man könnte meinen, die haben einen Meterstab dabei“, sagt Franz Bauschmid und zeigt auf den Boden. Exakt alle 14 Zentimeter ein Loch. Dort wo sein Vater Fritz vor keinen zwei Wochen Mais angesät hat, haben die Krähen punktgenau gepickt. „Keine Ahnung, wie die das erahnen können, ob sie den süßlichen Geschmack des Korns erkennen“, sagt der Vater. Klar sei nur: „Sie sind sehr schlau.“
Aber das war’s dann auch schon mit der Wertschätzung. Für die Landwirte sind die Saatkrähen zur großen Bedrohung geworden. Rein wirtschaftlich, aber auch für die sonstige Tierwelt, wie der jüngere der Bauschmids erzählt. Wer wie er als Landwirt viel draußen ist, kennt die Dramen der Tierwelt. Aber an Bildern von verendeten Hasen, denen die Augen ausgestochen wurden, werde er sich nie gewöhnen, meint er. Er erzählt von Krähen, die sich im Verbund an Lämmer heranmachen, von der immer kleiner werdenden Entenbrut oder vom Kiebitz, der gegen die Krähen keine Chance hat.
„Dabei ist der Kiebitz der Vogel des Jahres“, sagt Bernhard Hartl. Und das sei sinnbildlich für die vielen Vögel, die durch die Krähe verdrängt würden. Hartl ist der stellvertretende Erdinger Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbands (BBV) und hat gemeinsam mit Obmann Jakob Maier zu diesem Gespräch auf dem Bauernhof in Bartl, ein Weiler zwischen Pretzen und Hörlkofen, eingeladen. Das Ziel: den Wunsch öffentlich machen, dass die Saatkrähe bejagt werden darf.
„Wir haben vor zwei Jahren die Zusammenarbeit mit dem Landesverband für Vogelschutz und mit dem Bayerischen Landesamt für Umwelt gesucht, seitdem ist nichts passiert“, bedauert Maier.
Da waren die Krähen deutlich fleißiger. Die Zahl der Brutpaare in Erding sei inzwischen von 1000 auf rund 1500 gestiegen. Und schon damals sei der Schaden immens gewesen, denn Krähen machen sich nicht nur an das Saatgut von Mais ran, „wobei das scheinbar ihre Leibspeise ist“, wie Fritz Bauschmid meint. Auch Braugerste, Hafer oder Erbsen seien nicht sicher. „Außerdem picken sie Löcher in die Siloballen und Planen.“
Bereits vor drei Jahren hatte der BBV Erding eine Bestandsaufnahme gemacht. Laut der Rückmeldungen von 27 Landwirten sei damals ein Schaden von 76 000 Euro entstanden. Noch mehr Krähen, noch mehr Schaden – davon geht Maier aus. Zumal auch alle Aktionen, den Vogel zu vertreiben, nicht wirken.
Die Bauschmids erzählen von den Lautsprechern mit verschiedenen Tierstimmen, die sie auf den Feldern haben anbringen lassen. Die rund 5000 Euro teure Investition habe nichts geholfen. „Nach wenigen Monaten hat das die Vögel gar nicht mehr interessiert“, sagt Fritz Bauschmid. Ähnlich sei das mit dem ebenso wild glitzernden wie sich drehenden Wind-Ballon gewesen. Funktionieren vielleicht die künstlichen Vögel, die an einer Schnur befestigt in der Luft flattern? Fritz Bauschmid zeigt auf zwei Krähen: „Da schaun S’, die machen gerade Brotzeit, direkt unter dem Vogel.“ Von der Vergrämung hält er ohnehin nicht viel: „Dann sind sie bei mir weg und suchen woanders ihre Nahrung.“ Bauschmid selbst hat noch einen Trumpf. Sein Mais ist mit Korit gebeizt, eine Zinkverbindung, die den Krähen nicht schmeckt. Also sind diese Saatreihen so gut wie unberührt. Die ungebeizten Reihen dagegen, die er auf einem Versuchsfeld für eine Saatgutfirma anpflanzt, sind so gut wie verschwunden.
Das werde ihm auch blühen, sollte Korit verboten werden. „Das ist gerade in der Schwebe“, erzählt er. Aber zumindest habe er noch diese Möglichkeit, „die Biobauern haben langfristig überhaupt keine Chance“.
Die müssten jetzt schon bis zu dreimal den Mais neu ansäen. Das bedeutet nicht nur jeweils 400 Euro fürs Saatgut, „wenn du spätere Maissorten verwenden musst, ist auch der Ernteertrag nicht mehr so hoch“, erklärt Jakob Maier. Er rechnet mit 30 bis 40 Prozent Ertragsverlust. Angesichts der Tatsache, dass der Bund einen Anteil von mindestens 30 Prozent an Biobauern anstrebt, sei das schon erstaunlich. Womit wir bei der Politik wären. Der BBV fordert, den Schutzstatus der Saatkrähe zu überdenken. Wie berichtet, dürfen zwar Rabenkrähen, aber nicht die Saatkrähen bejagt werden. Das sei schon deshalb ein Problem, erklärt Michael Hamburger, weil sich die Jungvögelschwärme vermischen und in der Dämmerung kaum voneinander unterschieden werden können. Den Vorsitzenden der CSU-Arbeitsgruppe für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AG ELF) ärgert: „Der Naturschutz ist bei der Bevölkerung höher angesiedelt als Ernährungssicherheit und die Probleme der Landwirtschaft bei der Erzeugung der Nahrungsmittel.“
Bereits vergangenes Jahr hatte sich der BBV gemeinsam mit Landrat Martin Bayerstorfer, Erdings OB Max Gotz und dem Kreisjagdverband Erding an Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber (FW) gewandt und um eine Ausnahme gebeten für die Krähen-Hotspots – neben Erding auch Fürstenfeldbruck, Rosenheim und Dachau –, um die Population zu reduzieren. Möglich wäre dies zum Beispiel durch die Entnahme der Eier aus den Nestern. Und Benno Zierer, FW-Landtagsabgeordneter, verwies bereits vor zwei Jahren auf Länder wie Frankreich, Ungarn, die Slowakei oder Estland, wo die Saatkrähen per Ausnahmegenehmigung abgeschossen werden dürfen.
CSU und FW unternehmen nun einen weiteren Anlauf, die Saatkrähen zu dezimieren. Aus frei gewordenen Haushaltsmitteln, die die Fraktionen verteilen durften, schoben sie vergangene Woche 400 000 Euro in ein Projekt zur „letalen Vergrämung“. Was das ist? Wir zitieren noch mal Benno Zierer: „Fangen, Schießen, keine Ahnung, irgendwas.“ ➔ BAYERN