Markus Söder in Erding
„Wir müssen gut durch den Winter kommen“
Moosburger Zeitung vom 7.9.2022
„Wir müssen gut durch den Winter kommen“
Markus Söder kritisiert Energiepolitik – Gemischter Empfang für den Ministerpräsidenten
Erding. (re) Ministerpräsident Markus Söder war am Montag nach Erding gekommen und sprach auf Einladung der CSU im Weißbräuzelt. Empfangen wurde er nicht nur von Parteifreunden: Rund 100 Demonstranten vom Aktionsbündnis „AufgeMUCkt“ gegen eine dritte Startbahn waren vor dem Zelt in Position gegangen. Die Demonstranten forderten „Die Startbahn sofort zu beerdigen“ und „Klimaschutz“.
Sichtlich verärgert war CSU-Chef Markus Söder, als er die Demonstranten entdeckte, ging aber nicht weiter auf sie ein. Nach dem Geschmack des Ministerpräsidenten dürfte der Empfang im Zelt gewesen sein. Die Menge jubelte, der CSU-Chef musste sich den Weg zum Prominententisch vor der Bühne bahnen und unzählige Hände schütteln. Oberbürgermeister Max Gotz sprach angesichts des vollen Bierzelts von „einem fantastischen Blick ins Publikum“. Mit den Worten „Es ist ein Unterschied, wenn draußen einige pfeifen, auch das gehört zur Demokratie, und hier der herzliche Willkommensapplaus“, ging Gotz auf die AufgeMUCkt-Demo ein. Sein Wunsch an den Ministerpräsidenten galt der weiteren Unterstützung beim Erdinger Ringschluss. Sozialministerin Ulrike Scharf freute sich, dass wieder Volksfeste stattfinden können.
Sie sprach das ernste Thema Jahrtag des Olympia-Attentats an und folgerte: „Freiheit braucht Sicherheit. Wir in Bayern geben denen, die Hass und Krieg predigen, keinen Millimeter Raum“. Sie übte Kritik an der Ampel-Koalition, am geplanten Bürgergeld und bemängelte die Tatsache, dass beim Rettungspaket bis vor Kurzem noch die Rentner vergessen wurden.
Höhepunkt war die Rede des Ministerpräsidenten. Sie wurde neben starkem Applaus im Zelt auch von Pfiffen der Demonstranten vor dem Zelt begleitet. Der CSU-Chef verteidigte, dass angesichts von Corona und Ukraine-Krieg wieder Volksfeste stattfinden können. Er verteidigte zudem die Corona-Politik der vergangenen Jahre. „Vor über zwei Jahren hat uns eine Seuche heimgesucht, bei der keiner wusste, wie man damit umgehen soll. Corona kam über Nacht. Es gab kein Gegenmittel“ rüttelte Söder wach. Er stand vor der schwierigen Aufgabe, Entscheidungen treffen zu müssen.
„Alle die heute schlaue Reden halten, habe ich damals nicht gesehen“ prangerte Söder an. „Es war eine der größten Herausforderung, die unsere Gesellschaft erlebt hatte. Unter’m Strich haben wir es nicht schlecht gemacht“, so der CSUChef. Er zitierte das Landesamt für Gesundheit, wonach man in Bayern 130000 Leben gerettet hätte.
„Eine Koalition in der Krise“ Söder räumte ein, dass nach den Volksfesten die Corona-Infektionszahlen etwas nach oben gingen, aber nicht die Situation in den Krankenhäusern. Deshalb kritisierte er die Panikmache von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). „Wir bleiben vorsichtig. Aber die Lage heute ist nicht die vor zwei Jahren. Vorsicht ja. Schützen, jeder wie er es für richtig hält. Aber: Absperren, zusperren, einsperren wird es in Bayern nicht mehr geben.“
Der Ministerpräsident kritisierte, dass sich die Ampel-Koalition in der Energiekrise zu wenig um die eigene Bevölkerung kümmere. „Wir helfen Menschen in anderen Teilen der Welt. Wir müssen aber auch dafür sorgen, dass wir gut durch den Winter kommen.“ Die Regierungskoalition sei hierbei keine Krisen-Koalition, sondern manchmal „eine Koalition in der Krise“. Zum Entlastungspaket der Bundesregierung äußerte er sich milde. „Da geht manches in die richtige Richtung.“ Manche Ungerechtigkeit werde ausgeglichen, etwa durch die angekündigten Hilfen für Studenten und Rentner. Was er jedoch kritisierte: „Kein Wort im Entlastungspaket zur entscheidenden Frage, wie der Preis gestaltet wird.“ Söder wollte auch wissen:
„Wo ist Ersatzenergie für das Gas aus Russland?“ Andere Länder wie Italien hätten Gas-Verträge bekommen. Söder forderte die Bundesregierung auf: „Kümmert euch um Ersatzenergie!“ „Der Freistaat ist kein Zwangsstaat“
Söder ging auf Habecks Vorstellung der Stresstests für den Strommarkt ein: „Vor eineinhalb Stunden ist leider in Berlin etwas Falsches entschieden worden. Es gibt nicht nur eine Gasnotlage, sondern auch eine Stromnotlage. Das Stromnetz wackelt. Die EU hat Deutschland
aufgefordert, in dieser Krisensituation die Kernkraftwerke weiter laufen zu lassen“, informierte Söder. Habeck habe bekannt gegeben, die Kernkraft ende im Dezember. Es gäbe keinen Streckbetrieb, man überlege, es ein wenig in Reserve zu behalten. Söders Kommentar: „Ich
halte das für absolut verantwortungslos. Wir fordern es dringend zu überdenken!“ Söder kritisierte die Ideologie, die dahinter stecke. „Baerbock sagte, Atomenergie ist Irrsinn, vier Fünftel der Deutschen sagen, es ist Irrsinn sie nicht länger laufen zu lassen. Wir brauchen eine Verlängerung der Kernenergie“, so Söder. Mit Blick auf die Debatte über Winnetou warnte der Ministerpräsident vor einer überbordenden Verbotskultur. „Ich habe nichts gegen jemanden, wenn er eine andere Meinung vertritt. Aber dieser Zwang, das stört mich.“ Aus Onkel und Tante sei der „Tonkel“ geformt geworden, um es jedem Recht zu machen. Söder versprach: „Der Freistaat bleibt ein Freistaat und ist kein Zwangsstaat.“
Einen besonderen Empfang bereitete das Aktionsbündnis „AufgeMUCkt“ dem bayerischen Ministerpräsidenten. Die Demonstranten forderten Klimaschutz und einen sofortigen Stopp der dritten Startbahn. Ministerpräsident Markus Söder sparte nicht mit Kritik an der Ampel-Koalition. Vor allem in der Energiekrise sah er Defizite. Kräftig gefeiert wurde Markus Söder im Weißbräuzelt. Anhänger freuten sich, dem Ministerpräsidenten die Hand schütteln zu können.
Fotos: René Spanier
Mittwoch, 7. September 2022, Erdinger Anzeiger / Lokalteil
„Über Bayern scheint eben die Sonne“
Bei seinem Auftritt in Erding zerpflückt Söder die Ampel und lobt seine Politik
– Volles Bierzelt Bericht HANS MORITZ
Erding – Man mag zu Markus Söder stehen, wie man will, aber Steherqualitäten hat der CSU-Chef und Ministerpräsident. Morgens beim Gillamoos, mittags beim Festakt für die Opfer des Olympia-Attentats und am Abend Bierzelt-Auftritt in Erding. Und das überpünktlich. Um 18.29 Uhr rollt die gepanzerte Limousine vor dem Weißbräuzelt vor. Die Ersten, die Söder zu Gesicht bekommt, sind die knapp 100 Anti-Startbahn-Demonstranten von Aufgemuckt, angeführt von ihrem Sprecher Christian Magerl. Trillerpfeifen und Sprechchöre ertönen. Söder kneift die Augen zusammen, verdreht sie nach oben und schüttelt den Kopf. Später winkt er ihnen noch so zu, wie ein Dreijähriger seiner Mama.
Und im Bierzelt wird er germanistisch: „Wer fährt, ist ein Fahrer, wer pfeift, ist eine Pfeife“, sagt er unter dem Gelächter des Publikums. Gut 2000 sind erschienen, deutlich mehr als Horst Seehofer vor vier Jahren an gleicher Stelle angelockt hatte. Entspannter läuft der offizielle Empfang der lokalen CSU-Prominenz. Und Weißbräu-Inhaber Werner Brombach raunt Söder zu: „Man sollte mal gegen die Grünen demonstrieren.“ Ein weiblicher Fan schenkt Söder einen Blumenstrauß. Der dankt artig, riecht daran und reicht ihn an einen seiner Leute weiter. Ein Personenschützer klemmt sich mehrere durchsichtige Regenschirme unter den Arm. Falls Tomaten oder Eier fliegen sollten. Doch die Erdinger sind heute Abend nicht auf Krawall gebürstet. Sie lauschen aufmerksam, klatschen und lachen an den richtigen Stellen, geraten aber nicht wie weiland bei Strauß oder Stoiber in Euphorie. Nur ganz selten verhallt mal ein Pfiff oder ein Buhruf in dem riesigen Bierzelt.
Erdings OB Max Gotz berichtet von seinem „fantastischen Blick ins Publikum“ und erinnert daran, dass Söder nun an dem Platz stehe, an dem Günther Beckstein 2008 verkündet hatte, zwei Mass Bier und Autofahren, das sei schon in Ordnung. Söder wird später darauf verweisen, dass Beckstein (nicht deswegen) wenig später abgewählt worden sei. Gotz gibt Söder noch mit auf den Weg: „Vergessen Sie die Alltagsprobleme der Menschen nicht“ und nennt beispielhaft Pflege, Wohnen, Infrastruktur und kindliche Bildung. Und er freut sich, dass Söder seine Entscheidung, Ulrike Scharf aus dem Kabinett zu kegeln, im Februar revidiert hat. Söder wird sie später in den höchsten Tönen loben, auch weil sie nach ihrer Demission nie geklagt habe – „eine sehr gute Ministerin“. Scharf wiederum scheint bei ihrem „kurzen Grußwort“ mitunter zu vergessen, dass ihr Chef der Hauptredner ist. Im Zelt macht sich Unruhe breit, einer ruft: „Wir wollen den Markus hören.“ Und das tun sie dann auch. Erst einmal preist Söder Erding als eine Erfolgsregion. Und er bekennt sich dazu, dass nach zweieinhalb Jahren Corona wieder Volksfeste gefeiert werden dürfen.
Seine Pandemiepolitik klassifiziert er mit dem Hinweis: „So schlecht haben wir das nicht gemacht“ und erinnert an 130 000 Menschenleben, „die wir so gerettet haben“. In der Folge arbeitet sich der Ministerpräsident an der Berliner Ampelregierung ab, freilich mit dem Hinweis versehen, dass er als Kanzler(kandidat) ja zur Verfügung gestanden habe. Er wiederholt sein Lamento, dass Bayern besonders schlecht gestellt sei, und trägt seinen Phantomschmerz zur Schau, dass der neuen Bundesregierung kein einziger Bayer angehört. Von hier ist es nicht weit zu der Feststellung, die in keiner CSU-Bierzeltrede fehlen darf: Bayern als Hauptzahler beim Länderfinanzausgleich. Neun Milliarden Euro seien es allein heuer. Seine Bilanz: „Wir bezahlen fast alles.“ An dem am Sonntag festgezurrten dritten Entlastungspaket („Einiges trage ich mit“) kritisiert er, „dass die Wirtschaft, vor allem der Mittelstand, völlig vergessen worden ist“.
Kein Verständnis hat er, dass die Ampel am Atomausstieg festhalten will. Das Land steuere auf einen Stromengpass zu. Söder bekennt sich zwar zu den Sanktionen gegen Russland, warnt aber davor, die eigene Bevölkerung zu stark zu belasten. Die schwört er auf mindestens zwei harte Winter ein. Unverständlich sei ihm, warum der Bund nicht schneller und ergiebiger andere Energien rekrutiert hat. Andere Länder hätten da viel mehr erreicht. Applaus brandet auf, als sich Söder klar gegen eine Legalisierung von Rauschgift ausspricht. „Kein Land hat damit gute Erfahrungen gemacht“, ruft er. „Ich will das in Bayern nicht.“ Und noch etwas will er nicht: den Trend, den Leuten das Denken vorschreiben zu wollen. Über das Gendern, das Verbot, das Ballermannlied „Layla“ zu spielen, die Verurteilung von Indianern im Fasching macht er sich mit einigem kabarettistischen Talent lustig – und hat das Publikum auf seiner Seite. Sein Credo:
„Bayern ist Freistaat, nicht Zwangsstaat.“ Auch die Energiefrage spricht er an. Bayern sei bei den Erneuerbaren sehr wohl Vorreiter: „Wir wollen noch mehr tun, aber Bayern ist kein Windkraftland. Über Bayern scheint eben vor allem die Sonne.“ Unüberhörbar ist die Lanze, die Söder für die Landwirte bricht. „Die werden kontrolliert ohne Ende. Ja, haben sie die noch alle?“ Bauern produzierten mit die weltbesten Lebensmittel, „und dafür müssen sie sich auch noch rechtfertigen“. Kein Wunder, wenn viele aufhörten. Schlussredner und CSU-Kreischef Martin Bayerstorfer lobt Söders „umfassende Rede“, ehe Gastgeschenke überreicht sowie deutsche und bayerische Hymne angestimmt werden.