Artikel vom 11.04.2019
Bluttest zur Früherkennung von Trisomie 21
Fazit unseres Vorsitzenden zur Orientierungsdebatte
Fazit zur heutigen Orientierungsdebatte zum Bluttest zur Früherkennung von Trisomie21 als Kassenleistung:
Die heute im Bundestag geführte Orientierungsdebatte war ernsthaft, sachorientiert und es war spürbar, dass jeder Redner und jede Rednerin es sich nicht leicht gemacht hat, zu diesem Thema zu sprechen. Eine endgültige Mehrheitstendenz konnte nicht festgestellt werden.
Jedoch gab es einen parteiübergreifenden Konsens bezüglich der Beratung, die im Rahmen der Untersuchung stattfinden muss. Vor allem die psychosoziale Beratung, vor und auch nach dem Test muss stark ausgebaut werden. Wir als Forum der Menschen mit Behinderung in der CSU sind der Meinung, dass diese Beratung vor allem durch Betroffene und deren Angehörige durchgeführt werden muss. Denn diese Beratung ist authentisch - weder beschönigend noch auf die vermeintlichen Defizite von Menschen mit Trisomie21 reduziert!
Ein von den Befürwortern häufig genannter Grund für die Kostenübernahme war, dass der invasive Eingriff der Fruchtwasseruntersuchung bereits seit Jahrzehnten zum Spektrum der Schwangerschaftsuntersuchung gehört, welche von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen wird.
Wir als Forum der Menschen mit Behinderung in der CSU stellen die Gegenfrage: Weshalb wird nicht darüber diskutiert, die Fruchtwasseruntersuchung aus dem Katalog der Kassenleistungen heraus zu nehmen, da keinerlei therapeutischer Nutzen für das Kind dadurch erbracht wird?
Der Bluttest darf auf keinen Fall eine allgemeine Vorsorgeuntersuchung werden. Er muss ausschließlich Risikoschwangerschaften vorbehalten bleiben. Wobei der Begriff der Risikoschwangerschaft als solcher in unseren Augen viel zu schwammig ist und Gefahr läuft inflationär gebraucht zu werden. Die Auswirkungen einer inflationären Anwendung des Bluttests sind in Island zu sehen. Hier wird der Bluttest bereits flächendeckend im Rahmen der Schwangerschaftsuntersuchungen eingesetzt. Das Ergebnis ist, dass auf Island kaum Kinder mit Trisomie21 geboren werden. Eine solche Entwicklung ist in Deutschland zu verhindern!
Die heutige Debatte zum Bluttest war sicherlich erst der Anfang, denn es ist bekannt, dass in der Wissenschaft an weiteren nichtinvasiven Tests zur Auffindung weiterer, anderer genetischer Befunde geforscht wird. Teilweise sind sie auch schon fertig und warten auf ihre Zulassung. Um eine ethische Debatte, wie weit man hier gehen darf und welche gesellschaftlichen Folgen deren Einsatz haben wird, wird die Politik nicht herumkommen. Nicht alles, was technisch machbar ist, ist ethisch-moralisch-sozialgesellschaftlich vertretbar.
Denn wohin entwickelt sich die gesellschaftliche Akzeptanz behinderten Lebens, wenn bereits pränatal alle möglichen Eventualitäten durch den Einsatz von Screeningtests vor der Geburt ausgeschlossen werden können? Wohin entwickelt sich die soziale Solidarität, wenn man ja dann genetische Defekte eigentlich verhindern hätte können? Wie stark wird dann der Druck auf werdende Eltern, dieses vermeintliche Rundumsorglos-Paket in Anspruch zu nehmen, wenn die medizinischen Standards Stück für Stück durch das Angebot von Vorsorgetests angehoben wird? Was wird aus dem Recht auf Nicht-Wissen der Eltern?
Wir werden die weitere Diskussion aufmerksam verfolgen und uns einbringen!
Augsburg/München, den 11.4.2019
Benedikt Lika