Artikel vom 21.09.2018
EAK-Bezirksverband München
Prostitution-Es besteht Handlungsbedarf
Prostitution – Es besteht Handlungsbedarf!
Die Plätze im größten Saal des Franz Josef Strauß-Hauses reichten nicht aus – vielmehr mussten mehrere Stühle hinzugeholt werden, damit alle Gäste einen Sitzplatz bekamen. Der EAK München hatte abermals eingeladen zu einem Themenabend: „Prostitution in München – Was tun?!“. Wie der Bezirksvorsitzende Dr. Jonathan Kühn eingangs erklärte, sollte der Abend zur Orientierung dienen, zur Information und Diskussion – nicht zuletzt als Grundlage für das weitere politische Engagement des EAK zur Thematik. Als Kooperationspartner trugen der Arbeitskreis Juristen und die Frauen-Union (beide CSU) die Veranstaltung mit; für die Frauen-Union dankte Landtagskandidatin Tina Pickert in ihrem Grußwort den rund 130 Gästen – von deren zahlreichem Erscheinen an einem warmen Spätsommerabend sie sich beeindruckt zeigte – für ihr Interesse und die Bereitschaft, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen.
Der intensive, leidenschaftliche und teils kontroverse Austausch zum Themenfeld „Prostitution“ dauerte schließlich zweieinhalb Stunden. Zunächst beleuchteten Julia Weirich von „Take a stand“ des ICF München, Staatsminister der Justiz Prof. Dr. Winfried Bausback und Oberstaatsanwalt Franz Gierschik das komplexe Themenfeld von ihrem jeweiligen fachlichen Standpunkt aus, woran sich die Diskussion in großer Runde, moderiert von Alexa von Künsberg, stellvertretende Bezirksvorsitzende des EAK München, anschloss.
Eindrücklich schilderte Julia Weirich von erschütternden Erfahrungen und großem Leid, welches Prostituierte in der Landeshauptstadt erführen, ganzheitlich und langfristig geschädigt von ihrem täglichen Ergehen. Unter massivem Druck stehend sei ihr Gewerbe häufig alles andere als freiwillig und extrem menschenverachtend. Ein Großteil der Frauen, mit denen „Take a stand“ arbeite, komme aus Osteuropa und spreche kaum Deutsch. Unter Vorspiegelung falscher Tatsachen würden junge Frauen etwa in Rumänien oder Bulgarien angeworben, teils durch Familienmitglieder, um dann in München nicht, wie versprochen, als Kindermädchen zu arbeiten, sondern sich unter enormem Druck zu prostituieren, um die vermeintlichen hohen Transportkosten nach Deutschland abzuzahlen. Leidenschaftlich plädierte Weirich vor diesem Hintergrund faktischer Zwangsprostitution und massiver Ausbeutung für ein völliges Verbot von Prostitution nach skandinavischem Modell, wobei der Sexkauf generell strafbar sei und der Freier bestraft werde, wo gegen das Gesetz gehandelt wird.
Staatsminister Prof. Bausback unterstrich in seinem Statement ebenfalls, dass Prostitution keinesfalls ein Gewerbe wie viele andere sei und dass in der Tat allerlei Handlungsbedarf bestehe, schon allein deshalb, weil Prostitution häufig im Zusammenhang mit milieubedingten Straftaten wie Zuhälterei, Menschenhandel oder Ausbeutung von Prostituierten erfolge; die selbstbestimmte Prostitutionstätigkeit einer durchsetzungsfähigen, selbstbewussten Frau dürfte hingegen die Ausnahme sein. Die tatsächliche Prostitution stelle leider ein lukratives Geschäftsfeld dar, in dem zumeist junge Frauen mittels Drohung, Gewaltanwendung, Betrug, Zwang, Täuschung und anderen Methoden – unter Ausnutzung eines vorhandenen Marktes für sexuelle Dienstleistungen – durch organisierte Gruppen nach Deutschland gebracht würden, durch deren Prostitution die hinter ihnen stehenden Täter enorme Gewinne bei relativ geringer Gefahr der Entlarvung und Bestrafung erzielen könnten.
Das 2002 eingeführte „Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten“ habe die Situation von Prostituierten in nur überschaubarem Maße verbessert und sogar strafrechtliche Interventionsmöglichkeiten beseitigt. Daher seien verbesserte Kontrollmöglichkeiten ein richtiger Ansatz zur Verbesserung der Bekämpfung strafbarer sexueller Ausbeutung von Prostituierten. Instrumente wie der neue Straftatbestand der „Zwangsprostitution“ (§ 232a StGB) mit der Einführung einer Freierstrafbarkeit bei Opfern von Menschenhandel oder Zwangsprostitution seien zwar bereits geschaffen, doch bestehe darüber hinausgehender rechtspolitischer Handlungsbedarf, etwa in Gestalt der Modernisierung und Anpassung der damit zusammenhängenden Straftatbestände im Sexualstrafrecht, die Ausbeutung von Prostituierten und die Zuhälterei. Für die Praxis der Strafverfolger höchst bedeutsam sei zudem die Möglichkeit der Telefonüberwachung in Fällen der Zuhälterei.
Oberstaatsanwalt Franz Gierschik schilderte schließlich anschaulich konkrete Fälle, in denen offenkundige schwere Straftaten nur schwer geahndet werden könnten, weil etwa Zeugen vor einer Verhandlung das Land verließen oder durch massiven Druck davon abgehalten würden, auszusagen. Er bestätigte aus seiner praktischen Berufserfahrung, dass in der Tat mit dem neuen Gesetz von 2002 außerdem das Instrumentarium der Strafverfolgungsbehörden stark beschnitten worden sei: War bis dahin die Zahlung von „Taxigeld“ als Förderung der Prostitution ein (genutzter) Anlass für weitere Ermittlungen, in deren Zuge weitere strafbare Handlungen aufgedeckt werden konnten, so bestehe diese Möglichkeit heute nicht mehr. Eindringlich forderte er zum Abschluss seines Statements, über die Einrichtung einer dritten Zentralstelle nachzudenken: neben den bereits bestehenden Zentralstellen für die Bekämpfung von Terrorismus einerseits und Cyberkriminalität andererseits eine dritte für die Bekämpfung von Menschenhandel. Bei den Anwesenden löste der Vorschlag spontan tosenden Applaus aus; der Staatsminister erklärte darauf, den Vorschlag gerne in die fachlichen Diskussionen seines Ministeriums einbringen zu wollen.
Auf die knappe Stunde Fachreferate folgte eine rund anderthalb Stunden dauernde intensive, teils kontroverse Diskussion. Mit großem Engagement brachten Gäste ihre Sicht vor, fragten nach, baten um weitere Stellungnahmen – insbesondere zur Möglichkeit rechtlicher Verschärfungen im Sinne skandinavischer Verbotsmodelle und besserer Hilfen für Prostituierte, die aussteigen möchten aus dem Milieu.
Am Ende des intensiven Austauschs stand der Appell des EAK-Bezirksvorsitzenden Dr. Kühn an die Anwesenden, das am Abend Gehörte und Diskutierte als Multiplikatoren hinauszutragen aus der CSU-Landesleitung und in ihrem Umfeld Menschen für das ebenso herausfordernde, unangenehme wie auch wichtige Themenfeld zu sensibilisieren. Für den EAK München erklärte er, grundsätzlich das Thema weiter bearbeiten, konkrete Schritte beraten und entschlossen gehen zu wollen. Denn es bestehe in der Tat Handlungsbedarf!