Artikel vom 01.04.2022
FU Bad Kissingen besucht Berufsbildungszentrum
Wie können die Beschäftigten in der Pflege unterstützt werden? Welche Probleme haben sie? Was kann gegen den Fachkräftemangel getan werden? Diese und viele weitere Fragen standen im Mittelpunkt des Besuches im Berufsbildungszentrum (BBZ) Münnerstadt am vergangenen Freitag, den 1. April 2022. Dort erwartete die Gäste vom Kreisverband der Frauenunion (FU) Bad Kissingen, darunter eine Bürgermeisterin, eine Stadträtin und eine Gemeinderätin, die Abschlussklasse der Fachrichtung Altenpflege.
Schon bei der Vorstellungsrunde wurde deutlich: Die rund 20 angehenden Altenpfleger/innen brennen für ihren Beruf. „Wenn die Menschen lächeln, bin ich glücklich. Ich habe meine Entscheidung nicht bereut“, sagte eine Schülerin. Eine andere betonte: „Ich möchte der Gesellschaft etwas zurückgeben.“ „Es ist der richtige Job“, fügte ein weiterer hinzu. „Man bekommt etwas zurück, von Unterlagen nicht“, erzählte eine der Schülerinnen, die bereits einen Beruf erlernt und
viele Jahre in einer Verwaltung gearbeitet hatte, nun mit einer zweiten Ausbildung in die Altenpflege eingestiegen ist.
Mit so viel Begeisterung hatten viele der FU-Gäste nicht gerechnet. Ebenso wenig mit einer offenen und ehrlichen Debatte. Denn die angehenden Pflegekräfte benannten bestehende Probleme direkt und ohne Umschweife. Etwa, dass der Beruf in der Öffentlichkeit nicht richtig dargestellt wird und dadurch viele junge Leute abgeschreckt werden, in der Pflege zu arbeiten. „Viele denken, dass wir den ganzen Tag nur Hintern abwischen, dabei umfasst die Altenpflege so viel mehr“, waren sich alle einig. Es sei viel Aufklärungsarbeit nötig und ein echtes Umdenken: „Denn wir brauchen nicht nur Studierte!“
Deshalb fänden sie es gut, dass sich Schülerinnen und Schüler in der Berufsinfo-Phase ab der 7./8. Klasse über mehrere Praktika einen Eindruck verschaffen. „Den Beruf mit allen Höhen und Tiefen erleben“, fasste eine Altenpflegeschülerin zusammen. Da aber nur wenige von sich aus ein so ein Praktikum machen würden, sollten beispielsweise an den Realschulen und Gymnasien Praktikumsphasen in der 8., 9. und 10. Klasse eingeführt werden, so ähnlich wie es an der Mittelschule bereits praktiziert wird. Interessant fanden sie den Vorschlag, die Wandertage in den höheren Klassen für Projekttage in der Pflege beziehungsweise Berufsinfotage zu verwenden. Auch die (Wieder)Einführung des Zivildienstes oder eines Pflichtpraktikums in der Pflege fänden die angehenden Pflegekräfte gut. „Weil viele dann einen anderen Blickwinkel bekommen“.
Als weiteres Problem, welches ihren Arbeitsalltag in der Pflege betrifft, nannten die angehenden Altenpfleger/innen die Rahmenbedingungen. „Ich möchte nicht von Bewohner zu Bewohner hetzen, sondern mir die Zeit nehmen können, die ich für jeden einzelnen brauche“, sagte eine Schülerin. Nach ihrem Dafürhalten würden von der Politik zu viele Gelder nicht richtig eingesetzt: „Statt beispielsweise 100 Milliarden in den Militäretat zu investieren, sollte das Geld besser in Bildung und Pflege fließen.“
Auch am bestehenden Pflegeschlüssel müsse gearbeitet werden, betonten die Altenpflegeschüler/innen. Dieser legt fest, wie viele Patienten beziehungsweise Bewohner eine Pflegekraft zu versorgen hat. Das setze voraus, dessen sind sich die angehenden Pfleger/innen auch bewusst, dass ausreichend Personal zur Verfügung steht. Da müsse dringend etwas getan werden. Dann würden auch mehr freie Wochenenden und eine besser planbare Freizeit möglich sein - ein weiteres Problem, welches den Pflegeberuf momentan so unattraktiv macht. Die finanzielle Seite kam nur kurz zur Sprache, denn diese stelle nicht das Problem dar: „Was nützen mir 4000 Euro im Monat, wenn ich mich kaputt schufte“, sagte eine Schülerin.
Eine Lösung für das Personalproblem könnte nach Ansicht der Pflegeschüler/innen das Miteinander von Altenpflegeeinrichtungen und Kindertagesstätten bieten. Da gäbe es bereits interessante Modelle unter anderem in den Großstädten wie München. „Es wäre eine Win-Win-Situation“, sind die Schüler/innen überzeugt. Die alten Leute würden noch vieles erledigen können und sie haben Zeit - zum Basteln, Singen Spielen oder Vorlesen. Das wiederum würde das knappe Kita-Personal entlasten.
Schließlich schaltete sich auch der Schuldirektor Georg Gißler in die Diskussion mit ein. Er sagte, dass die Pflegeberufe sehr weiblich geprägt seien und deshalb keine Lobby bei Politiker/innen haben. „Frauen sind nicht laut und kämpfen nicht“, begründete er die Schieflage. Die IG Metall etwa habe deutlich mehr Macht, nicht zuletzt, weil viele Männer in metallverarbeitenden Berufen arbeiten und ihre Interessen ganz anders vertreten. Dennoch zeigte sich Gißler optimistisch, dass sich in Zukunft ein Wandel vollziehen und sich der Status von Pflegekräften in der Gesellschaft ändern wird.
Im Anschluss an die interessante Diskussionsrunde führte der Schuldirektor die Gäste von der FU durch das neugebaute Schulhaus. Die Frauen zeigten sich beeindruckt von dem Gebäude, welches im vergangenen Oktober im kleinen Kreis mit rund 200 Gästen eingeweiht wurde. Rund 28,9 Millionen Euro hat der Schulneubau die beiden Sachaufwandsträger – Landkreis Bad Kissingen und die Caritas-Schulen gGmbH - gekostet. Geld, das nach Ansicht der FU-Gäste sinnvoll ausgegeben wurde. „Hier wurde in die Zukunft investiert“, lautete der einstimmige Tenor.
Text: Kathrin Kupka-Hahn, FU-Kreisverband Bad Kissingen