Artikel vom 24.08.2018
Seehofer in der „Welt“
Reden wir über Religion
Bundesinnenminister und CSU-Chef Horst Seehofer will in Deutschland eine Debatte über die Religion und ihr Verhältnis zum Staat anstoßen. In einem Gastbeitrag in der Tageszeitung „Welt“ fragt er: „Wie ist es in unserem Land um das Verhältnis zwischen Religion und Staat bestellt? Wie gestalten wir das Zusammenleben in einer religiös und weltanschaulich pluraler gewordenen Gesellschaft? Welche Bedeutung messen wir der Religion in unserem Gemeinwesen zu?“
Migration als Anlass zur Diskussion
Seehofer sieht vor allem die Migrationsthematik als Anlass für eine Diskussion in unserer Gesellschaft: „Die Zuwanderung von Menschen aus unterschiedlichen Herkunftsstaaten mit unterschiedlicher religiöser und kultureller Prägung, hat zu erheblichen Herausforderungen geführt, die auch das Verhältnis zwischen Religion und Staat betreffen.“
Religion hat hohen Stellenwert in der Gesellschaft
Seehofer stellt fest, dass trotz sinkender Mitgliederzahlen der Kirchen seit den 70er Jahren Religion weiterhin einen hohen Stellenwert habe, was die „Leidenschaftlichkeit der jüngsten Diskussion um religiöse Symbole“ gezeigt habe. „Diese Diskussion hat erneut den Blick auf das Verhältnis zwischen Staat und Religion sowie die Rolle von Religion in unserer Gesellschaft gelenkt.“
Das Verhältnis zwischen Religion und Staat
Die Kirchen und andere Religionsgemeinschaften hätten eine wichtige Funktion und nähmen schon nach ihrem Selbstverständnis vielfältige soziale und karitative Aufgaben wahr, so Seehofer.
Der Staat hingegen müsse ein funktionierendes Rechtssystem bereitstellen und das staatliche Gewaltmonopol konsequent ausüben. Gemäß Grundgesetz achte der Staat daher die spirituelle Autorität der Religionen, behaupte aber zugleich seine Autorität zur Regelung des Zusammenlebens. Seehofer: „Das Grundgesetz gewährt die Freiheit der Glaubenden und grenzt sie zugleich ein. Die Religionsfreiheit entbindet niemanden von der Achtung der Verfassung.“
„Daher gehen wir aber davon aus, dass die Bindung an das auf der Grundlage dieser Verfassung geschaffene Recht und auch die von ihr vorausgesetzten Grundlagen des friedlichen Zusammenlebens selbstverständlich von allen Mitgliedern dieser Gesellschaft zu akzeptieren sind. Wer dies nicht akzeptiert und auf eine Beseitigung dieser freiheitlich demokratischen Rechts- und Gesellschaftsordnung hinwirkt, dessen Handeln muss der Rechtsstaat konsequent und mit der gebotenen Härte Einhalt gebieten“, so Seehofer.
„Andererseits gilt aber auch, dass Religionsgemeinschaften selbstverständlich aufgrund ihres Öffentlichkeitsanspruchs das Recht haben, sich in ethischen und gesellschaftspolitischen Fragen zu äußern und sich auch entsprechend zu engagieren.“ Dies gelte für alle Glaubensgemeinschaften gleichermaßen und „nach den verfassungsrechtlich verankerten Grundsätzen von Neutralität und Parität selbstverständlich nicht nur für die christlichen Kirchen“, so der Minister.
Gesamtgesellschaftlicher Dialog
Um das Verhältnis zwischen Religion und Staat in Deutschland näher zu bestimmen, kündigte Seehofer an, mit „allen in Deutschland relevanten religiösen Gemeinschaften“ das Gespräch suchen zu wollen. Von der Gesellschaft forderte er, sich auf einen friedlichen Diskurs einzulassen. Dabei appellierte er: „Werden wir uns also unserer kulturellen und religiösen Wurzeln bewusst und vertreten diese mit gesundem Selbstbewusstsein, zugleich aber auch mit Respekt vor den anderen religiösen und weltanschaulichen Auffassungen.“