Aufklärung
#Faktenheld: Corona ist keinesfalls harmloser als eine "normale" Grippe
Immer wieder hören wir, dass Corona nicht so schlimm sei und an einer „normalen“ Grippe deutlich mehr Menschen sterben würden. Der Faktenheld klärt auf:
Kurze Antwort:
Das stimmt so nicht. Ein Vergleich der beiden Erkrankungen ist aus verschiedenen Gründen schwierig. So treten beispielsweise oft mehrere verschiedene Grippeviren auf einmal auf, die jeweils Todesopfer verursachen, aber zusammengerechnet werden. Insbesondere für ältere Menschen kann das Coronavirus lebensgefährlichsein. Auch die allgemeine Sterberate ist bei Covid19 deutlich höher, wenn auch wegen der Dunkelziffer schwer zu ermitteln. Eine Erkrankung an Covid19 dauert länger als Grippe und ist bei schweren Verläufen gesundheitsschädlicher: Akutes Nierenversagen gab es in einer chinesischen Studie bei Covid-19-Patienten bei 11 Prozent, bei Grippe-Patienten bei 3 Prozent. Einen schweren septischen Schock erlitten bei Covid-19 rund 9 Prozent, bei Grippe 2 Prozent. Die Sterberate lag hier bei Covid-19 bei 19 Prozent, bei Grippe bei 5 Prozent. Im Schnitt verbrachten Covid-19-Patienten 10 Tage in der Klinik, Grippe-Patienten 7. Corona ist auch gefährlicher, weil es länger ansteckend ist. Die hohe Belastung der Intensivstationen durch die im Vergleich zur Grippe deutlich längere Behandlungszeit für Corona-Schwerkranke kann zudem rasch zu einer weiteren Gefahr führen: Wenn alle Betten belegt sind, könnten Ärzte gezwungen sein, wie im Frühjahr 2020 im italienischen Bergamo eine Auswahl unter den Patienten zu treffen – je nach Überlebenswahrscheinlichkeit („Triage“).
Zunächst einmal gilt: Wir wollen jedes Leben retten. Ganz generell sind aber eine Grippe und eine COVID-19-Erkrankung nur bedingt vergleichbar: Gegen Grippeviren gibt es in der Bevölkerung eine gewisse Grundimmunität durch frühere Fälle. Zudem können Risikogruppen schon seit Jahren geimpft werden und unser Gesundheitssystem ist im Umgang mit Grippepatienten geübt – es gibt Therapien. All das trifft auf das noch immer neuartige Corona-Virus nicht zu.
Hinzu kommt, dass die Spätfolgen einer Corona-Infektion noch nicht ausreichend erforscht sind. Eine Grippe heilt in der Regel nach zwei bis drei Wochen meist ohne Folgen aus. Eine schwere Covid-19-Erkrankung kann deutlich länger andauern (nach Schätzungen der WHO verlaufen rund 80 Prozent aller Sars-CoV-2-Infektionen mild). Derzeit müssen in Deutschland rund 14 Prozent der gemeldeten Covid-19-Erkrankten in ein Krankenhaus eingewiesen werden. Ein beträchtlicher Anteil muss intensivmedizinisch behandelt werden bis hin zur Langzeitbeatmung. Insbesondere für ältere Menschen kann das Coronavirus lebensgefährlich sein. Hier die Unterschiede in ein paar Zahlen aus einer chinesischen Studie über Klinikpatienten: Akutes Nierenversagen gab es hier bei Covid-19-Patienten bei 11 Prozent, bei Grippe-Patienten bei 3 Prozent. Einen schweren septischen Schock erlitten bei Covid-19 rund 9 Prozent, bei Grippe 2 Prozent. Die Strebrate lag bei Covid-19 bei 19 Prozent, bei Grippe bei 5 Prozent. Im Schnitt verbrachten Covid-19-Patienten 10 Tage in der Klinik, Grippe-Patienten 7.
Das Corona-Virus ist außerdem gefährlicher, weil es eine längere Inkubationszeit hat und Infizierte länger ansteckend sind. Die hohe Belastung der Intensivstationen durch die im Vergleich zu Grippe deutlich längere Behandlungszeit für Corona-Schwerkranke kann zudem rasch zu einer weiteren Gefahr führen: Wenn alle Betten belegt sind, könnten Ärzte gezwungen sein, wie im Frühjahr 2020 im italienischen Bergamo eine Auswahl unter den Patienten zu treffen – je nach Überlebenswahrscheinlichkeit („Triage“).
Aufgrund der Altersstruktur ist für Deutschland bei Covid-19 eine Infektionssterblichkeit von 1,0 Prozent oder etwas mehr anzunehmen. Genauer kann man diesen Schätzwert nicht ermitteln, weil Infizierte ohne Symptome meist gar nicht bei Ärzten auftauchen und so das Ergebnis verfälschen. Dagegen wird in Deutschland bei der Influenza eine Sterberate von 0,1 bis 0,2 Prozent geschätzt. Selbst wenn der Corona-Schätzwert niedriger liegen sollte, liegt er immer noch deutlich über dem einer Grippe. In einer Studie der LMU München unter 5300 Testpersonen lag die Sterblichkeit an COVID-19 bei 0,76 Prozent der Menschen mit Antikörpern. Sie würde damit um ein Vielfaches über der für saisonale Grippeinfektionen liegen. Die hier oft zitierte WHO-Studie, wonach die Corona-Sterberate im Mittelwert bei 0,23 Prozent lag, täuscht. Denn hier wurden 61 Studien aus 51 Ländern ohne Blick auf deren Seriosität herangezogen und einfach der Mittelwert daraus errechnet.
Die Zahlen unterscheiden sich auch in ihrer Berechnung: Bei der Grippe wird die sogenannte Übersterblichkeit herangezogen, also wie viele Menschen sterben mehr in der Grippesaison als in den restlichen Monaten – eine Schätzung anhand historischer Sterbestatistiken und obwohl auch andere Ursachen vorliegen könnten. Zudem treten oft mehrere verschiedene Grippeviren auf einmal auf, die jeweils Todesopfer verursachen, aber zusammengerechnet werden. Geschätzt wurden so in der schlimmsten Grippewelle seit 30 Jahren in den vier Monaten Verlaufszeit 2017/2018 rund 25.000 Tote durch Influenza in Deutschland, laborbestätigt waren davon laut RKI aber nur 1674 Fälle. Die Covid-19-Toten sind alle laborbestätigte Fälle, die auf die Infektionszahl und die mutmaßliche Dunkelziffer hochgerechnet werden. In anderen Ländern sehen wir außerdem bis zu 40 Prozent mehr Tote als sonst - in Italien allein im März fast 50 Prozent mehr als in den vergangenen Jahren, in der Region Lombardei sogar 190 Prozent. Ohne die deutschen Maßnahmen wäre Corona auch hierzulande viel sichtbarer, davon ist auszugehen. Ein Blick in die aktuelle Übersterblichkeit zeigt außerdem, dass nach dem Anstieg der Corona-Infektionen auch die Zahl der Todesfälle weiter ansteigt: Nach vorläufigen Erkenntnissen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) sind Mitte November etwa neun Prozent mehr Menschen gestorben als im Schnitt der Vorjahre. Vor allem für Sachsen, das Bundesland mit den höchsten Inzidenzzahlen, meldete Destatis am Freitag in Wiesbaden eine stark ansteigende hohe Übersterblichkeit: Sie lag in der 47. Kalenderwoche um 46 Prozent über dem Schnitt. Bundesweit starben zwischen 16. und 22. November 2020 in Deutschland mindestens 19.600 Menschen, wie das Amt in Wiesbaden mitteilte. Basis ist eine Sonderauswertung der vorläufigen Sterbefallzahlen, die aktuell bis zur 47. Kalenderwoche zur Verfügung steht. Das Mittel der Jahre 2016 bis 2019 für diese Woche lag bei 17.977 Toten.
Zur Dunkelziffer: In der oben angeführten Studie der LMU München unter 5.300 Testpersonen lag der Anteil der Menschen mit nachgewiesenen Antikörpern etwa viermal so hoch wie der Anteil der bis dahin offiziell registrierten Corona-Fälle. Das Robert-Koch-Institut hat allerdings Anfang Dezember erste Ergebnisse einer Antikörperstudie im niederbayerischen Straubing vorgestellt. Demnach lag der sogenannte Dunkelzifferfaktor, also die Zahl der offenbar unerkannt geblieben Corona-Infektionen, bei nur rund 1,6 Prozent.
(Stand: 16.11.2020)